Mantra Musik

Montag, 21. September 2015

Zu: Stell dir vor...

... es ist Krieg ... 

Mein vorheriges Bild ist sozusagen die Vorbereitung zu diesen Blogeintrag.

Stellt dir vor es ist Krieg...

Ein Krieg kann unterschiedlich aussehen, es kann ein Krieg mit Waffen sein, der den Konflikt unterschiedlicher Länder zeigt und in die Geschichte der Länder eingeht. Sowohl karmisch als auch Psychologisch hinterlässt ein solcher Krieg großes Leid.
Ein Krieg kann auch ganz persönlich sein, ein Krieg der mit Missbrauch, Vergewaltigung und Folter anfängt und vielleicht nie endet.
Ein Krieg der sich in der Seele eines Menschen verhakt wie ein Beil.

Jeder Krieg ist schmerzvoll, leidvoll und bringt neue Qualen mit sich. Die Opfer sind zahlreich auf beiden Seiten. Am Ende eines Krieges gibt es keine Täter mehr nur noch Trümmer, Verzweiflung, Angst, Hass, Blut und Tod.


Mein obiges Bild mag verstörend sein, es ist ein kleines Mädchen mit einem Band um die Augen, stoppt Folter. Es hätte auch ein anderes Band mit einer anderen Aufschrift sein können: Stoppt Krieg! Stoppt Gewalt!

Dieses kleine Mädchen bin ich im Alter von vier Jahren. Einen Tag bevor das Bild (ohne Band) aufgenommen wurde, war meine Welt noch in Ordnung.
Ich hatte Menschen um mich herum die ich Mama und Opa nannte, ich bekam genug zu Essen, einmal in der Woche wurde ich in eine große Zinkbadewanne gesteckt, die Mama dafür von Draußen herein holte, es war mollig warm in der Küche, dabei lief das Radio und meine Mama sang während sie mit mir im Wasser plantschte.
Ich weiß noch es gab Sonntags immer Sauergraut mit Szegediner Gulasch und Opa holte einen Streuselkuchen, den wir dann gemeinsam Nachmittags aßen, dazu gab es Muckefuck, eine Art Kaffee aus Pflanzenteilen, den ich mit viel Milch und Zucker trinken durfte.
Ich fing gerade an zu lesen, denn Opa las jeden Tag mit mir in der Zeitung. Und hin und wieder bauten wir Sachen auseinander und wieder zusammen. Ich lernte wie man einen Wecker auseinander baut und wieder zusammen. Ich liebte es die vielen kleinen Rädchen zu berühren. Es gab auch Dinge die ich nicht verstand, so durfte ich nicht nach Draußen, weil es "Draußen gefährlich" war. Ich durfte auch nicht mit dem Kindern spielen, die im gleichen Haus lebten wie wir: "Weil es gefährlich war". Ich bin also die ersten vier Jahre meines Leben sehr isoliert aufgewachsen, nur mit diesen zwei Menschen die für mich die Welt bedeuteten. Ich verließ nicht die kleine Wohnung in der wir lebten und meine Notdurft verrichtete ich in einem Eimer der von Mama jeden Tag ausgeleert wurde.

Mein persönlicher Krieg fängt ganz anders an als andere Kriege und doch ähneln sie sich sehr. Es war wie eine Bombe die eines Abends in unserer Küche einschlug. Wenn ich zurück blicke, dann gab es eine Art Vorbereitung. Mama hatte alle Türen verriegelt und vor die Küchentür unseren Esstisch geschoben, Opa war morgens schon mit dem Motorrad weggefahren, beide hatten sich gestritten und im ganzen Haus war es laut. Wenn es laut wurde, hielt mir meine Mama die Ohren zu, sie stellte das Radio auf volle Lautstärke um das Gebrüll von Draußen zu übertönen, manchmal sang sie auch ganz schief und je lauter es von Draußen brüllte, desto lauter sang meine Mama.
An diesem Abend kam das Gebrüll in unsere Wohnung.

Ich weiß noch welche Angst ich den ganzen Tag über hatte. Mama hatte ihre Arme um mich geschlungen und wiegte mich hin und her, dabei weinte sie die komplette Zeit über. Es wurde Abend als irgendjemand von Draußen gegen die Küchentür schlug und laut brüllte man solle die Tür aufmachen. Der Tisch vor der Tür vibrierte und Mama hielt mich fest an sich gedrückt. Dann wurde es im Nebenzimmer laut und meine Mama lies mich los und rannte durch die kleine Wohnung um die zweite Tür im Nebenzimmer zu verbarrikadieren. Sie schaffte es nicht. Ich hörte wie die Tür eingetreten wurde und dann sah ich Männer in Uniformen die in unser kleines Zimmer kamen, es waren viele Männer und sie hatten Pistolen die sie auf Mama richteten. Ich schrie und dann warf sich Mama auf mich und die Männer warfen sich auf Mama. Ich weiß noch das ich das Gefühl hatte erdrückt zu werden, ich bekam keine Luft aber ich schrie mir die Seele aus dem Leib.

Die Männer in Uniform hielten Mama fest, einer bedrohte sie mit einer Waffe und dann wurde ich einer mir völlig fremden Milchkaffeefarbenen Frau übergeben und Mama wurde weggebracht. Ich weiß noch wie ich meine Hände nach ihr ausstreckte und nach ihr brüllte, um mich schlug und tritt und ich weiß noch wie Mama ihre Hände nach mir ausstreckte, Hände die sich nie wieder so berührten sollten wie davor. Ab da veränderte sich alles in meinem Leben, meine Mama und mein Opa kamen eine kurze Zeit ins Gefängnis und ich kam zu einer anderen Familie. Zu einer Frau die behauptete meine richtige Mutter zu sein und einem Mann der sagte er sei mein richtiger Vater. Da waren Kinder die sagten sie seien meine Geschwister ...

Das war der Anfang meines ganz persönlichen Krieges der 16 Jahre meines Lebens andauerte. Ich habe all das erlebt was Kinder und Frauen in anderen Kriegen auch erleben. Vergewaltigung, Missbrauch, Gewalt und Folter, Angst und Tod. Und es gibt Momente in meinem Leben, wie jetzt zum Beispiel, da sind diese Bilder sehr real.  Ich bin dem Grauen in diesen 16 Jahren mehrmals begegnet in unterschiedlichen Formen. Ein Kind wurde abgetrieben und ich war dabei, ein Mädchen wurde getötet, Kinder weinten und schrien, Blut floss... dann sollte ich sterben.
Wenn ich über den Tod nachdenke sehe ich Hände die meine Kehle zudrücken, bis ich sterbe. Ich erinnere mich an meinen Tod. Ich sehe mich von oben, sehe die Gestalt die über mir liegt und mich würgt. Dann wird es dunkel, ich sehe einen Tunnel, dann ein gleisendes pulsierendes helles Licht, es wird warm um mich herum und der Schmerz hört auf.
In meiner Erinnerung bin ich 9 Jahre alt als ich sterben sollte. Wieder verändert sich die Welt.

Vor dem Tod habe ich keine Angst. Nach dem Licht habe ich mein ganzes Leben gesucht und ich suche immer noch und ich weiß heute, wenn ich sterbe, wird es nicht schlimmer sein, als damals als die Hände mir die Kehle zudrückten.

Warum erzähle ich euch von diesem Grauen?

Ich erzähle euch davon, weil die Menschheit sich gerade spaltet, statt Mitgefühl mit dem Opfern eines Krieges zu haben, werden sie verurteilt. Statt sie aufzunehmen, werden die Grenzzäune noch höher gebaut.

Bei mit war das genauso. Es gab Momente da war ich auf der Flucht. Ich rannte mit dem am Leib was ich gerade anhatte, manchmal war es nur ein dünnes Hemdchen. Ich rannte um mein Leben. Ich rannte blutend und Barfuß durch den Schnee in den Wald um mich zu verstecken.  Ich rannte zu den Nachbarn und hämmerte gegen ihre Türen. Manchmal war es eine Gardine die sich bewegte, aber die Türen blieben die meiste Zeit verschlossen.
Man wollte sich nicht einmischen, man hatte Angst. Angst vor dem was im Haus am Wald geschah.
Es hat viele Jahrzehnte gedauert bis ich diese Angst in den Augen der Nachbarn verstehen konnte.

Es wird viel gemutmaßt warum Flüchtlinge flüchten. Oft wird angenommen sie seien Wirtschaftsflüchtlinge die sich hier in Deutschland wie in anderen reichen Ländern niederlassen und sich bereichern wollen.
Die Gedanken sind vielfältig, aber alle entspringen einer Illusion. Denn gerade die Leute die sich am meisten darüber aufregen, über die Flut der Menschen die versuchen über die Grenzen zu kommen, haben keine Ahnung von Krieg.
Sie wissen nicht was diese Leute bewegt. Sie wissen nichts von dem Grauen, dass sie erlebt haben.

In den letzten Monaten wurde ich oft über Facebook angegriffen, weil ich so wenig Position bezog, keine Solidarität zeigte für Linksradikale Aktionen.
Ich habe oft versucht es damit zu erklären, dass ich die Gewalt auf beiden Seiten sehe und ich Gewalt ablehne.
Jemand der einen Krieg erlebt hat, denkt nur noch an eines. Wenn es Krieg gibt - musst du Überleben!

Als es in Facebook anfing -  die Menschen Positionen bezogen und statt mit Waffen mit Worten schoßen.
Ab da hielt ich mich im Hintergrund. Ich wurde nach und nach zurückhaltender mit persönlichen Artikeln und jetzt poste ich wenn überhaupt nur noch Buddhistische Inhalte oder Verlinkungen zu anderen Artikeln mit klaren Aussagen zu unterschiedlichen Themen. Wenn mich Nachbarn zu dieser Thematik ansprechen, nicke ich und schweige. Mit mir über diese Themen zu diskutieren wird schnell langweilig. Ich meditiere sehr viel und ich arbeite fast Rund um die Uhr an unterschiedlichen buddhistischen Inhalten.
Ich bereite mich auf meine Art vor. Es gibt Momente da mag ich Flüchten oder mir selbst die Ohren zuhalten vor dem lauten Gebrüll der Pegida Menschen.
Aber ich halte mir nicht die Ohren zu, ich beobachte leise mit Herzklopfen. Ich schätze ab und ich versuche aus dieser Position heraus neutral zu bleiben, damit ich neutral helfen kann, wenn die Fahnen gegen richtige Waffen ausgetauscht werden. Ein Krieg kann so unterschiedlich sein. Wir stehen kurz davor. Das ist die Realität.

Ich bin kein aufbrüllender Möchtegern Soldat. Ich gehöre zu einer kleinen Gruppe von Pazifisten die versuchen sich im Hintergrund zu halten, um die verletzten Menschen zu verpflegen, wenn es soweit ist.  Es gibt jetzt schon Opfer die sich mir anvertrauen und die ich berate und tröste. Das ist meine Aufgabe in diesen Anfangszeiten eines großen Krieges.
Als Kind hätte ich mir einen Pazifisten gewünscht, der mich getröstet, mich umarmte, der mir etwas zu essen gab, als ich vor Hunger zusammenbrach. Der meine blutenden Wunden versorgte und meine Seele beruhigte: Alles wird gut!

Mein Krieg hat tiefe Narben hinterlassen, Wunden die vielleicht nie wieder vollständig abheilen werden. Auch nach 34 Jahren die vergangen sind, sind die Bilder aus meiner Erinnerung noch sehr real. Es gibt Momente da hoffe ich sehr, dass ich nicht Dement werde und wieder eintauche in die Zeit vor meinem 16 Lebensjahr. Wieder das Kind bin, dass sich das eigene Blut vom Körper schrubbt um wieder rein zu sein, mit dem Wissen das es nie wieder rein sein wird.

Ich will keinen Krieg, für nichts auf der Welt. Ich weiß, dass ich zu den Menschen gehören werde, die sich überlegen werden sich selbst zu töten, wenn es so weit ist. Einmal Krieg erleben reicht voll und ganz um zu begreifen, das Gewalt keinen Frieden bringen kann.

Das es nur möglich ist Flüchtlinge aufzuhalten, die um ihr Leben rennen, indem man sie tötet. Unsere Grenzen werden nie hoch genug sein, unsere Mauern nie stark genug sein.  Wenn ein Mensch um sein Leben rennt dann ist er bereit zu fliegen über alle Hürden hinweg.
Krieg ist wie ein Kannibale der sich selbst auffrisst. 

Ich kann euch keinen Tipp geben, wie ihr vorgehen sollt. Ich kann nicht sagen: Reißt die Mauern nieder, öffnet die Grenzen um den Kriegsleidenden hier ein Leben zu ermöglichen. Was immer ihr macht, ich habe darauf keinen Einfluss und ich will keinen Einfluss darauf haben.

Ich kann nur eines sagen: Habt Mitgefühl für alle Beteiligten.
Mitgefühl für die Unwissenden mit ihren Fahnen und ihrem Hassgebrüll und Mitgefühl für die Flüchtenden mit ihren Narben und Wunden. Habt Mitgefühl für die Opfer und Täter auf allen Seiten. Denn am Ende spielt es keine Rolle mehr wer was gebrüllt hat oder wer auf welcher Seite gekämpft hat. Am Ende zählen nur die Toten und die Überlebenden.

Hier endet nun mein Artikel.
Wenn man mich früher fragte ob ich mich als Opfer sehe, sagte ich "NEIN, ich sehe mich als Überlebende".

Überleben bedeutet man hat den Tod besiegt.
In Wahrheit lässt sich der Tod nicht besiegen, er ist Teil vom Leben.
Wenn man mich heute Fragt so zucke ich die Schulter und schweige. Denn eigentlich gibt es nur einen Satz für das was ich erlebt und überlebt habe: Ich lebe! Nur das zählt.

Es sind nicht meine Tränen und der Schmerz meiner Erinnerungen, die meine Kindheit in die Gegenwart transportieren. Es ist Mitgefühl, Metta, Ahimsa.

Es sind die Menschen denen ich begegne, die Momente in denen sich unsere Blicke kreuzen, das Erkennen auf beiden Seiten. Es sind die Schwestern und Brüder (die die Kriege dieser Erde überlebt haben), deren Seelen sich mit meiner Seele verbinden. Dabei spielt es keine Rolle welche Nationalität, Sprache oder Hautfarbe sie haben. Wenn wir uns alle an den Händen fassen umringen wir hunderte um hunderte male die Welt.

Das sind die Menschen die mich an meine Vergangenheit erinnern und ihnen sind meine Worte gewidmet mit denen ich hier Enden werde:

"Ihr seid nicht alleine!"


In diesem Sinne

Namasté
Eure Andarnil






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