Mantra Musik

Montag, 21. September 2015

Metta oder wie ein Lächeln die Welt verändert





Vor 34 Jahren begegnete mir ein alter Mann, er saß wie ich auf einer Parkbank. Ich saß dort weil ich auf eine Freundin wartete die den Park dazu nutzte um zu dealen. Ich wartete dort mit hochtoupierten Haaren, schwarzen Augen, schwarzen Fingernägeln und schwarzen Lippenstift. Der alte Mann hatte einen Stock und er lächelte die ganze Zeit über, während ich an Tötenköpfe dachte und das neuste Lied von The Cure im Kopf hatte.

Dieses verzückte Lächeln reizte mich, ihn anzusprechen:

"Wieso lächeln sie?" fragte ich. Er sah mich an und lächelte noch mehr, dabei hatte er diesen entrückten Blick, er sah an mir vorbei.

"Weil die Welt so unglaublich schön ist!"
Ich musste loslachen.
"Dann müssen sie wohl blind sein!" sagte ich.
Er lächelte weiter und nickte.
"Ich bin seit dem letzten Weltkrieg blind!"

Mir war das jetzt peinlich, ich wollte ihn nicht demütigen und so entschuldigte ich mich.

"Warum eine Entschuldigung, du hast doch recht!"

Meine Freundin war immer noch nicht in Sicht und der alte Mann interessierte mich.
"Wie sieht man die Welt, wenn man Blind ist?" fragte ich.

Er blickte nun nach oben zu den Bäumen, den Wolken und womöglich noch viel weiter.

"Die Welt ist so wie sie ist. Ich höre die Vögel zwitschern und ich fühle die Sonnenstrahlen auf meinen Armen, ich höre Menschen reden und Kinder lachen. Ich höre Autos fahren und in der Nähe ist ein kleiner Brunnen. Ich höre deinen Atem und ich rieche deine Seife. Ich höre den Wind in deinem hochtoupierten Haaren."

Das war gruselig. Wie konnte er wissen, das meine Haare hochtoupiert waren. Ich stand auf und sah ihn mir genauer an, ich fuchtelte mit den Händen vor seinen Augen herum, tat so als würde ich ihn schlagen, aber er lächelte weiter und ich setzte mich wieder neben ihn.

"Wissen sie wer ich bin?" fragte ich, weil ich dachte, vielleicht kennt er mich ja von irgendwoher und irgendwer hat ihm gesagt wie ich aussehe.

Er sagte:

"Ja ich weiß wer du bist!"

"Ok alter Mann und wer bin ich?" ich hatte einen leichten Zorn in meiner Stimme, das gefiel mir ganz und gar nicht.

Wieder lächelte er.

"Du bist ein Mädchen das sehr traurig ist!" sagte er.

"Was für ein Scheiß!" fuhr ich ihn an. Ich war wütend.
Ich wollte nicht das irgendwer meine Traurigkeit erkannte. Ich wollte unsichtbar sein, unentdeckt, ich fühlte mich durchschaut und das machte mich Zornig.

"Die Welt ist wunderschön und wenn du anfängst zu lächeln, wirst du das erkennen!"

In diesem Moment sah ich meine Freundin. Sie winkte mir zu. Ich stand auf und sagte: "Träum weiter alter Mann!"
Und dann ging ich.

Etwas später besuchte ich wieder mal die Schule nach langer Zeit stand ich im Schulgang vor dem Fenster. Meine Lehrerin kam auf mich zu und lächelte mich an. "Na wieder mal da!"
Ich zeigte ihr den Mittelfinger und wollte mich an ihr vorbei quetschen um vor ihr in der Klasse zu sein. Doch sie hielt mich am Arm fest: "Weißt du, du könntest so ein hübsches Mädchen sein, wenn du mal lächeln würdest".

Ich starte sie einen Moment an, dann rannte ich an ihr vorbei den Gang entlang bis zu mir nachhause. Ich hatte Herzklopfen als ich in meiner Wohnung ankam. Aber ich ging sofort ins Bad und sah mich in dem zerbrochen Badezimmerspiegel an. Ich sah mich lange an bis sich mein Mund zu einem Lächeln formte. Es war das erste Mal das ich mich lächeln sah. Es war fremd dieses Gesicht in diesem zerbrochenen Spiegel, doch dieses Lächeln das ich sah war wunderschön. Ab da übte ich jeden Tag mein Lächeln. Ich verzog die Mundwinkel nach oben, machte eine Fratze und zeigte meine Zähne. Eines Tages ging ich nach Draußen mit den schönsten Lächeln in meinem Gesicht und der erste der mir begegnete lächelte zurück.
Ich kann aus heutiger Sicht sagen, das hat mein Leben verändert. Ich wusste nicht wie man lächelte, ich verstand lächelnde Menschen nicht. Mir war das durch meinen Asperger Autismus fremd. Und ich fühlte mich allein dadurch sehr isoliert.

Manchmal muss ich mich auch heute noch daran erinnern, die Mundwinkel nach oben zu ziehen. Heute weiß ich um die Besonderheit eines Lächelns, ich weiß das Glückhormone ausgeschüttet werden, das es ansteckend ist und es dazu verleitet zurück zu lächeln. Ich weiß das es Menschen miteinander verbindet.
Heute weiß ich das der alte Mann recht hatte.
Er hat mir an dem Tag im Park etwas sehr wichtiges Geschenkt, die Erkenntnis wie schön diese Welt ist wenn man ihr mit einem Lächeln im Gesicht begegnet....

Ich gedenke meiner Lehrerin Frau Plaum für diesen kurzen Augenblick im Gang meiner alten Schule... DANKE !!!...



Namasté eure Andarnil




(co) Johanna Schlitzkova /Andarnil
Bild: ich bin das Mädel auf der linken Seite :)

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