Mantra Musik

Donnerstag, 23. April 2015

Über das Sterben - über den Tod ...



Nach einem Posting einer Freundin in ihrer Chronik über Selbstmord, habe ich darüber nachgedacht, wie das bei mir so war, und welche Beziehung ich zum Tod habe.

Zum Thema Selbstmord:

Ich habe insgesamt 4 Freunde/Bekannte durch Selbstmord verloren, eine Frau ist in meinen Armen gestorben und ich habe meiner damals besten Freunden den Selbstmord ihres Vaters schonend beigebracht. Ich selbst habe 2 mal versucht mir das Leben zu nehmen und einmal habe ich es geplant um nur einen Tag davor eine Veränderung zu erfahren, die mich davon abhielt es um zusetzen.  - Nur zu meiner Vorgeschichte.

Meine Meinung hierzu, Selbstmord ist oft eine Momententscheidung. Im Kopf ist alles bereits über Monate oder Wochen geplant, aber es zu tun, entscheidet eine einzige Sekunde. Ein Moment und dann gibt es kein Zurück mehr. Diese Entscheidung hat absolut nichts mit Egoismus zu tun, man denkt nicht darüber nach, irgendwem weh zu tun, der eigene Schmerz ist einfach zu groß. Es gibt auch keine Vorstellung von Zukunft. Alles was zählt ist dieser eine Moment, alles andere ist egal. Dieses "Egal" braucht man um wirklich den Schritt zu machen. Es ist eine Art Notventil im Kopf, das den eigenen Schmerz, die Erinnerung, das eigene Leben vollkommen einnimmt. Alles andere schaltet man in diesem Moment aus.

Jeder der Menschen die ich verloren habe, hatte eine Vorgeschichte von viel Leid, ein Leid das nicht zu verkraften war. Es war das absolute Aus. Die Vorstellung das es Besser wird, war nicht da. Es gab keine Hoffnung. Nur noch Schmerz. Ich verstehe, dass Menschen die das nicht nachvollziehen können, den Selbstmord als Egoismus wahrnehmen. Aber auch Menschen die selbst jemanden verloren haben, können den Sinn darin nicht erkennen.

Wenn ich zurück blicke zu meinen eigenen Versuchen mir das Leben zu nehmen So war ich jedesmal am absoluten Ende. In meinem Kopf gab es nur dieses Loch von Schmerz und nichts anderes. Der Gedanke nahm mich vollkommen ein. Dieses Gefühl: "Es ist dann endlich vorbei!" war so unglaublich befreiend. Ich dachte nur daran, erlöst zu werden. Mein erster Selbstmord geschah als ich 12 Jahre alt war. Ich war ein Kind und dem was man mir antat hilflos ausgeliefert. Ich denke dieses Gefühl des Ausgeliefert sein, des - absolut nichts dagegen tun können - ist ein Gefühl das jeder Selbstmord-Kandidat mit anderen teilt. Keinen Weg mehr nach vorne, keinen mehr zurück. Man ist in einer Sackgasse angelangt und es gibt nichts mehr was hilft, kein Mensch mehr, keine Tatsache, niemand. Da gibt es nur noch diesen einen Ausweg.

Eine Kommentatorin des Postings meiner Freundin schrieb: "All die Leute die sich versucht haben umzubringen, sind jetzt Glücklich das überlebt zu haben" - Es ist ein Trost für die Jenigen die ihren Menschen zurück bekommen: "Er hat es überlebt!" Die Wahrheit ist jedoch, entweder es hat sich danach grundlegend etwas verändert oder er tut es noch mal und zwar besser!

Mein nächster Selbstmord war mit 15. Ich hatte davor keine Gelegenheit. Aber alles was mich in diesen drei Jahren innerlich am Leben hielt war der Gedanke es irgendwann zu tun. Ich plante meinen Selbstmord drei Jahre nach meinem Überleben. Das ich wieder scheiterte lag daran, das ich einfach keine Ahnung hatte, ich nahm eine Packung Schlaftabletten meiner Oma mit der letzten Milch ein die ich im Kühlschrank fand und kotzte mir danach die Seele aus dem Leib, danach schlief ich fast zwei Tage durch und wachte mit fürchterlichen Kopf und Magenschmerzen auf. Danach habe ich weitere 2 Jahre gewartet, ich nahm Drogen und plante meinen  "goldenen Schuß". Doch einen Tag bevor ich es tun wollte - genauer gesagt der 4 Juni 1983, veränderte sich mein Leben. Aber meine beste Freundin, mit der ich es geplant habe, war lange Jahre Junkie und ist heute womöglich nicht mehr am leben.

Ich hatte aus heutiger Sicht viel Glück. Und oft denke ich darüber nach, was mir alles erspart geblieben wäre. Weitere Jahre voller Schmerz und Trauer, Erfahrungen, Erkenntnisse, Wissen, Weisheit, Wahrheit und Liebe.

Damals als Kind  wusste ich das alles nicht, ich wusste nicht wie es sein wird zu lieben und geliebt zu werden. Ich wusste nicht, das ich eines Tages eine kleine Tochter haben werde und eine wundervolle Frau die mich auf Händen trägt. Ein Leben in Glück. Für mich war lange Jahre Glück schwarze Farbe. Die komplette Kindheit geprägt von Schmerz, Hunger, Übelkeit, Schuldgefühlen und Angst und dieses ewige Gefühl von Ausgeliefertsein. Als Kind hatte ich keine Möglichkeit dem zu entgehen. Ich kenne es wenn das Adrenalin deinen Körper vollkommen einnimmt, alles was dann noch da ist, ist der Impuls flüchten zu wollen, dem entkommen zu wollen. Es war ein Leben im absolutem Grauen. Denn wenn der Adrenalinspiegel sinkt, kommt die große Erschöpfung, die Leere, das Gefühl, es ist egal was mir geschieht. Da geht ein Zittern durch den Körper der hellwach ist, Stundenlang, Tagelang. Dieses ewige Warten darauf was als nächstes Passiert und dann die Gewissheit, es geht von vorne los. Immer und Immer wieder. Das erste Mal,  das ich mich an diese Gefühle erinnere, war ich vier Jahre alt. Ich wehrte  mich damals wie wild. Ich biß und schrie und trat um mich. Ich entwickelte unglaubliche Kräfte. Man musste mich zu zweit festhalten, solange bis ich vor Erschöpfung aufgab. Man erzählte mir später, es waren Stunden die ich kämpfte und Tage danach hatte ich noch die Hoffnung, das sich etwas verändert an meiner Situation.
Das letzte mal das ich diese Erinnerung habe, war ich fast 17, kurz nach meinem letzten Versuch mir das Leben zu nehmen - ich war endlich frei!!! Ich stand meinen Peiniger gegenüber und schrie ihn an, ich brüllte mir all den Schmerz aus der Seele. Es war vorbei!! Das war ihm bewusst und mir auch. Er schlug mich ein letztes mal. Ich stand auf und ging und kam nie wieder zurück. Er starb ohne mich je wieder gesehen zu haben.

Es gibt ein Sprichwort: "Die Hoffnung stirbt zuletzt" Ich glaube es ist die Hoffnung die zuerst stirbt, bevor man wirklich tot ist.

Natürlich bin ich heute froh überlebt zu haben. Aber ich erinnere mich an das was ich als Kind fühlte. Ich verstehe meine Entscheidung sterben zu wollen. Auch Rückblickend gab es nur eine Alternative - die Zeit - aber das wusste ich als Kind und Jugendliche nicht. Und aus dem Grund habe ich jeden einzelnen meiner Freunde/Bekannte die sich im laufe der letzten Jahre das Leben nahmen verstanden.

Ich werde es immer verstehen, wenn jemand aus freien Stücken geht, weil es das einzige ist, das wir wirklich entscheiden können. Alles andere wird von Außen diktiert, von Menschen die uns lieben, von solchen die es nicht tun.

Sich hier raus zu krallen ist ein Ausweg. Natürlich gibt es auch andere Auswege - die Zukunft ist aber ungewiss, die Vergangenheit ist bekannt.

Es gibt für mich heute nur einen Grund mir das Leben zu nehmen und das ist Siechtum und ein grausamer Tod.

Sollte ich erfahren, ich habe Krebs im Endstadium, Alzheimer oder schlimmeres das unaufhaltsam zum Tode führt,dann werde ich meine Entscheidung neu überdenken. Ansonsten habe ich so viel erlebt, das ich mit fast jedem Schmerz klarkomme, das ist mein Geschenk an mich selbst. Es kann nicht schlimmer sein, als die ersten 17 Jahre meines Lebens.

Zum Thema Tod:

Der Tod selbst macht mir keine Angst, vorvor ich Angst habe ist der Schmerz der kommen könnte.
Diese Woche war voll mit Todesnachrichten. Ein Hund einer Kollegin meiner Frau hat einen Köder mit Rasierklingen gefressen und ist innerhalb von einer halben Stunde innerlich verblutet. Ich erfuhr von meiner Tierärztin und Freundin, das eine ihrer Katzen (die ich sehr liebte) beim Spielen einfach umfiel und starb. Die Medien waren wieder mal voll mit Nachrichten über Todesfälle. Der Tod ist Teil des Lebens.
Das ist mir schon seit vielen Jahren bewusst. Es ist kein Ende, sondern einfach nur ein Moment der das Leben in dieser Exsistenz beendet. Wir wissen nicht was danach passiert. Vielleicht gar nichts, vielleicht ist es aber auch wirklich so, dass wir nur die Exsistenz wechseln und die Dinge die wir erfahren haben mitnehmen in eine andere Lebensform.
Der Kreislauf des Lebensende ist gespickt mit Vorstellungen, Illusionen und Wünschen und diese gehen oft sogar soweit, das Menschen mit bekannten Drogen und anderen Substanzen versuchen den Tod zu erforschen.
Er hat eine Faszination auf uns Menschen. Letztenlich ist der Tod manchmal sogar noch intensiver in unseren Köpfen als das Leben selbst.
Er begleitet uns jeden Tag den wir erleben, denn jeder Tag könnte der letzte sein.

Letztendlich werden wir dauernd mit dem Tod konfrontiert, indem wir den Tod als Nahrung zu uns nehmen. Auch ich als Veganerin ernähre mich vom Tod anderer (Kleinst-)Lebewesen. Das ist etwas womit sich die wenigsten Menschen wirklich konfrontieren. Sie essen Leichen (ein Aas ist ein verwesendes Tier). Der Tod ist somit allgegenwärtig Teil des Lebens.

Wenn ich über den Tod nachdenke, dann denke ich auch an meine Hinterbliebenden. Sie bleiben zurück, wenn ich gehe. Im Laufe der Zeit habe auch ich Wünsche entwickelt, die mir den Tod einfacher machen. Ich würde gerne als erste Sterben, rein egoistisch entgeht mir dann der Verlust meiner geliebten Menschen, der Schmerz der zurück bleibt als letzter zu gehen. Ich habe keinen Trost, wie viele andere Menschen ihn haben, mit der Vorstellung der geliebte Mensch wartet schon am Ende des Regenbogens. Ich glaube nicht an eine Regenbogenbrücke, oder an ein Wiedersehen mit meinen Lieben - nicht so wie ich jetzt bin.

Ich glaube aber an eine Begegnung in einer anderen Existenz. Man läuft aneinander vorbei, man sieht sich in die Augen, man lächelt sich zu - irgendwas in einem weiß es, aber das Bewusstsein fehlt, auf dieses Wissen zurück zu greifen. Dieser eine Moment und dann ist die Begegnung vorbei. Man läuft weiter und es zieht in einem sich umzudrehen und zurück zu blicken. Manchmal tut man es, aber die Begegnung ist in der Menschenmasse verschwunden. Was zurück bleibt ist ein Moment des Bedauerns. Solche Erfahrungen hatte ich schon oft. Ich schüttel sie dann ab, wie man Wassertropfen abschüttelt. Es ist eine Art Erkennen, dieser eine Moment in den Augen des anderen.
Das verstehe ich unter karmischer Beziehung. Ja ich habe die Hoffnung, das beide zurück blicken, im gleichen Augenblick sich erneut die Augen begegnen, das Lächeln. Beide stehen bleiben und lachen wieder aufeinander zu gehen, nicht wissen warum, sondern einfach nur diesen Impuls folgen. Vielleicht passiert das nicht oft, aber ich habe die Hoffnung, das es oft genug passiert und man erneut die gleichen Gefühle empfindet... Ich habe sogar die Vermutung, dass meine Frau und ich, genau diesen einen Moment der Begegnung erlebten als wir uns kennen lernten.

Wenn ich an den Tod denke, so hole ich mir auch genau diese Vorstellung. Ich stell mir vor, genau das zu tun, nicht weiter gehen, schnell zurück blicken. Vielleicht rufen: "Hey warte, ich will dir was sagen. Da ist etwas zwischen uns. Ich weiß das und ich weiß, dass du es auch weißt!"

Und ich hoffe sehr, das der Mensch den ich jetzt in dieser Existenz mit ganzen Herzen liebe, wieder stehen bleibt. Wir uns ansehen, uns anlächeln und einen Kaffee oder Tee zusammen trinken. Ich stell mir vor, wie wir uns erneut kennen lernen mit einer ganz anderen Geschichte. Wir ganz andere Menschen uns erneut lieben lernen. Vielleicht sind wir nur Freunde fürs Leben, aber die Verbundenheit die ist da.

Es gibt Momente da schau ich meine Frau an und sehe diese ganzen Schichten von Existenzen, zumindest nehme an, dass es genau das ist. Ich sehe in sie hinein und durch sie hindurch in andere Epochen, andere Zeiten, andere Leben. Und das gibt mir die Kraft meinen Tod zu empfangen, wenn es einmal so weit ist. Denn ich habe nicht die Vorstellung, das es vorbei ist.

Es gibt so viele Konstrukte von Leben. Paralelluniversen, andere Welten, andere Existenzen. Ich weiß das nichts vergeht, alles hat seinen Sinn. So das Leben wie auch der Tod.

Der Tod hat nichts grausames oder gruseliges wenn man weiß, dass alles da ist, alles vorhanden ist auf dieser Welt. Das ist meine Vorstellung vom Tod.

Euch allen wünsche ich ein schönes Leben voller Glück und einen schönen Tod wann immer er kommen mag.

Namasté 

Eure Jo 

Foto: von meiner Freundin Enna Janov.  Alter Friedhof 

Samstag, 18. April 2015

Selbsterkenntnis

Gedanken einige Monate vor meinem Geburtstag



Es ist unglaublich ich gehe ganz schnell auf die 50 zu, ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so alt werde. Ein halbes Jahrhundert lebe ich dann auf diesem Planeten. Ich habe so viel erlebt und viel gesehen und an Gefühlen gelebt. Es reicht um mehrere Leben auszufüllen. Manchmal frage ich mich ob andere Menschen auch so viel in ihrem Leben erleben. Oder ob ich einfach durch alles durch muss, was an Erleben möglich ist. Es gibt Menschen die schreiben ganz viel über Mord und Missbrauch und Selbstmord und Drogen, sie werten solche Dinge als Negativ und verbuchen sie unter: "Gut das ich das nur aus Krimis kenne!". Ich kann darüber reden, weil ich weiß was es in einem Menschen macht und was es aus einem Menschen macht. Ich habe die Erfahrung gesammelt, das wir Menschen durch unsere Stärke oft vergessen, dass wir genauso schwach sind. Die Schwäche die als etwas schlechtes angesehen wird, oft mehr Gutes enthält als die Stärke die allgemein als Positiv anerkannt wird.

Ich habe erkannt das der Mensch sich aus diesem Grund - das wahrnehmen seiner Stärke - vollkommen überschätzt auf diesem Planeten und oft vergisst, das er nicht alleine hier lebt. Ich habe im Laufe der letzten 50 Jahre erkannt, das es wichtig ist, die eigene Schwäche zuzulassen, sich selbst als Mensch zurück zu nehmen und somit anderen Lebewesen den Platz einzuräumen den man locker ausfüllen könnte, ganz einfach weil es Leid verhindert, das genauso heftig wieder zurück kommt. In Form der Vernichtung unserer Welt.

Wir Menschen sind nicht die Eroberer unseres eigenen Planeten, wir sind die Zerstörer, jeder einzelne von uns - das habe ich in mir selbst erkannt. Ich bin in der Lage alles niederzutrampeln was ich aufgebaut habe und es erneut aufzubauen, ganz egal was es an Ressourcen verbraucht. Ich habe erkannt, das ich töten kann und vernichten, dass ich dazu in der Lage bin Schmerz und Leid zu verbreiten. Ich habe aber auch erkannt, das ich in der Lage bin genau das Gegenteil zu tun.

Wir haben immer die Entscheidung was wir erreichen wollen mit unseren Taten, wir müssen nur vorausschauend handeln. Wir müssen erkennen was passieren könnte, wenn wir tun, was wir tun. Und wir müssen erkennen, das wir nicht die Krone der Schöpfung sind, das sind andere Lebewesen weit vor uns gewesen und es werden immer andere Lebewesen sein, die diesen Platz viel mehr verdienen als wir.

Durch die letzten 50 Jahre habe ich Demut kennen gelernt, eine sehr intensive Erfahrung, die mich lehrte was Einsamkeit, Armut, Reichtum, Leid und Glück bedeutet. Ich muss durch all das hindurch um mich selbst kennen zu lernen und anzuerkennen, das nur durch das Selbst, das Ego Mitgefühl entsteht. Weisheit ist ein Erfahrungsschatz der sich nur dann öffnet, wenn man all das erlebt und sich nicht verschließt vor dem Schmerz der Selbsterkenntnis - das dass Menschsein eben nur eines von vielen Seins in diesem Universum ist.

Es ist nicht das Negative das uns hemmt in unserer Entwicklung, es ist eher das was wir nicht wahrnehmen. Die Kleinigkeiten, die Schönheiten, zu verstehen, dass es immer weiter geht, durch jeden Schmerz, jedes Leid hindurch auf eine andere Seite der Erfahrung. Zurück blickend waren es wichtige und gute 50 Jahre. Auch das Leid das seine Spuren hinterließ hat mich geschützt vor Unachtsamkeit. Ich habe nie den Blick der Reaität verloren, ich bin nie abgesoffen in einem Strudel der Illusion. Zurückblickend erkenne ich, das ich all das brauchte um zu verstehen wie unsere Welt tickt. Unsere Welt die durch meinen Blick eben nur meine Welt ist, nicht jedermanns Welt.

Die Wahrheit hinter all dem ist immer die Wahrheit des Betrachters. Mit dieser Erkenntnis gehe ich in mein 51 Lebensjahr und ich gehe voller Glück!

Namasté

Alles liebe eure Jo