Mantra Musik

Mittwoch, 17. Januar 2018

Der Alleingang der Zivilisation



Eine Freundin schrieb gerade: "Die nächsten Tage bin ich für niemanden außer für mich selbst da!“ bedeutet nicht, dass wir respektlos sind.... wir brauchen ein Dorf für uns und unsere Kinder"

Wir nennen uns Zivilisierte Menschen, weil wir selbstbewusst den Weg der Technisierten Einsamkeit gewählt haben.
In anderen Ländern wird Familie im großen Kreis gefeiert, es leben Großeltern, Tanten und Onkel zusammen auf einem Grundstück, man lebt zusammen, oft arbeitet man auch zusammen und mein erzieht die Kinder gemeinsam. Ein Krippenplatz oder ein Kindergarten ist dort nicht notwendig, denn meistens leben mehrere Kinder unterschiedlichen Alter mit mehreren Generationen unter einem Dach.

Das fehlt hier extrem.
Wir sind gescheitert an unserer Überheblichkeit und gerade wenn es um unsere Kinder geht, wird dieses Scheitern schmerzhaft bewusst.
Denn um so leben zu können, muss das Leben extrem Strukturiert werden, jede Sekunde ist vorprogrammiert und die Tagesabläufe der zivilisierten Menschen gleichen sich fast bis auf die Minute. Ein richtiger Freiraum ist da nicht möglich. Denn auch unsere freien Minuten sind strukturiert und klar abgegrenzt von unserer Individualität. Wir glauben wir würden die Welt kontrollieren, weil wir es gewöhnt sind uns selbst zu kontrollieren. Wenn Kontrolle zur Normalität wird, ist die Individualität und das unkontrollierbare anormal.

So werden Menschen die sich dem entziehen aus der Gesellschaft ausgegrenzt.

Als Shaya noch klein war, ging es mir oft so, dass ich mir eine Familie gewünscht habe, mir haben Oma und Opa, Tante und Onkel gefehlt. Leute die einfach vorbei kommen und mit anpacken: "Ich leg dir mal die Wäsche zusammen, dann kannst du dich mal hinlegen" so was.
Natürlich wäre das mit meinem Freigeist erst mal kollidiert, ich lass normalerweise niemanden an meinen Schrank außer meiner Frau. Ich hasse es wenn andere Menschen in mein Chaos einbrechen. Aber wäre ich nicht die die ich bin...
Wäre ich ein Mensch der von klein auf in einer liebevollen Familie aufgewachsen wäre, ich hätte genau das genossen.
Im Kreis von Menschen die mich lieben, hätte ich auch schlafen können, wenn der andere die Wäsche zusammen legt und gleichzeitig ein Auge auf meine geliebte Tochter wirft.

So was hat mir schon immer gefehlt, nicht erst seit dem Shaya da ist. Mir fehlte der Rückhalt einer älteren Generation.

Als ich älter wurde, wurde mir klar, das andere "Familien" nicht viel anders sind - zumindest was den Einsamkeitsfaktor betrifft. Die wenigsten Familien sind wirklich für einander da.

Die meisten gehen getrennte Wege und kaum noch jemand kann das Kind zur Oma bringen, ohne das die Oma Erwartungen hat und auf die Uhr tippt, damit klar ist wann das Kind wieder abgeholt wird. Sogar unsere ältere Generation ist im Stress und vollgestopft mit irgendwelchen Verpflichtungen und sei es nur 2x die Woche Yoga und 1x die Woche Sport.

Wir nennen das Freizeit. Aber in Wahrheit ist all das was wir tun nichts anderes als eine wohldosierte Art von Anpassung an ein System der Kontrolle.

Niemand wird mehr alt und sitzt im Lehnstuhl mit seiner Wolle auf dem Schoß ohne das irgendwer mit kritischen Augen auf dessen Geist blickt. Menschen haben Erwartungen und der Satz: "von nichts kommt nichts" geistert immer auf irgendeiner Werbetafel. Alte Leute sind heute aktiv. So aktiv das sie keine Zeit mehr für die Jugend haben. Das ist Teil unserer Gesellschaft.

Mein Traum war immer die im Lehnstuhl sitzende Oma zu sein, darüber hab ich auch in meinen Romanen geschrieben. Eine Mischung aus Rosenresli und Heidi. Ich bin was das betrifft ein Romantiker, genau so wollte ich sein für mein Kind und für meine Enkelkinder (ich hoffe immer noch, dass ich noch welche haben werde).

Ein Zurück zum Ursprünglichen. Alt werden bedeutet für mich mich zu entschleunigen. Ich brauche keine Aktion mehr um nach außen Jung und Aktiv zu wirken.
Ich hatte genug Aktivität und Stress in meinem Leben.

Was wir brauchen ist ein Dorf. Meine Freundin hat so recht.

Mein jetziges Zuhause ist noch nicht mein Endzuhause. Ich werde hier nicht sterben. Ich wünsche mir ein Zuhause mit vielen Menschen die ähnlich denken wie ich. Ein kleiner Kulturschock alter Leute die sich selbst entschleunigt haben um für die jungen Leute da zu sein, ich wünsche mir ein Haus voller Kinder die ich belesen kann, denen ich Pfannkuchen machen kann, die mir tierisch auf den Nerv gehen und die dann weiter laufen, durch die Räume zu anderen alten entschleunigten Menschen. Ich wünsche mir Ruhe in einem Miteinander.

Und das darf kein Altersheim sein, kein Heim für die Alten unter uns... es darf Familie werden...

das ist es was uns fehlt. Uns fehlt ein Dorf.