Mantra Musik

Mittwoch, 28. November 2012

Zwischen Bibel, Edda, Koran, Talmut und Palikanon



Die Bibel hat je zweifel in mir gesät.  Ich war 12 als ich sie das erste Mal las. 
Mit 14 sollte ich dann konfirmiert werden, ich weigerte mich damals mit einer großen Ansprache vor dem Pfarrer und der Christengemeinschaft. Das war in dem Dorf in dem ich lebte fast Frevel , ich hinterfragte das komplette System und habe dort das erste Mal von Gewalt gesprochen, von Kriegen und Missbrauch. Ich wollte damals Antworten, die mir aber niemand geben konnte. Ich wollte das man mir die Bibel erklärt, die Stellen die ich rot angestrichen hatte. Ich weiß noch wie wütend ich damals war, als mein Pfarrer mir sagte: "Bedenke das du dann keine Geschenke bekommst, wenn du dich gegen eine Konfirmation entscheidest"Und ich weiß auch noch genau was ich damals sagte, ich nannte ihn einen Dummen Mann, weil er versuchte mich mit Geschenken zu ködern, die ich davor noch nie in meinem Leben erhalten hatte. Ich fragte ihn ob man im Krieg Geschenke erwarten kann und lies ihn stehen.

Ich glaube das Religionen einen Teil des eigenen Lebens spiegeln. In der Bibel habe ich mich nie gefunden. Weder im alten noch im neuen Testament. Ich habe mich im Laufe meines Lebens durch alle möglichen Schriften gelesen. Mit etwa 16 hatte ich einen 70 Jährigen Freund, er war Theologe und wir saßen bis spät in die Nacht zusammen und diskutierten über die Bibel und über die einzelnen Evangelien. Ich habe ihn sehr geliebt, er war auch der erste der zu mir meinte, das ich irgendwann mal eine Frau und Kinder haben werde und wir haben beide darüber herzlich gelacht. Für mich stand die Bibel immer im Zweifel zu dem was mich als Mensch ausmachte. Ich muss dazu sagen, ich habe auch mehr erwartet, ich wollte tiefer einsteigen, ein Zwiegespräch mit Gott führen und ich kam nur bis zur Kanzel und von dort keinen Schritt weiter.


Gleich nach der Bibel kam die Edda, sie las sich wie ein Märchen und ich brauchte wesentlich länger für die Edda als ich für das alte Testament gebraucht hatte.Und nach der Edda kam der Talmut, dann der Koran, den ich von meiner türkischen Freundin geschenkt bekam.In keinen dieser Bücher fand ich mich.
Ich las, aber sie erreichten mich nicht, sie blieben vor mir stehen, als Zeugnisse einer alten und teils auch vergessenen Zeit. Was ich aber brauchte war etwas das ich integrieren konnte, in die Zeit in der ich lebte, das mir antworten auf Dinge gab die ich erlebt habe. Ich brauchte mehr als nur ein Kopfstreicheln und dem Satz: "alles wird gut!"Ich brauchte auch mehr als dieses Gefühl als Sünder geboren zu sein. Damals war ich sehr wütend und teils auch unfair den Gläubigen gegenüber. Hätte ich damals die Möglichkeit gehabt zu studieren hätte ich womöglich Theologie und Philosophie als Studienfach genommen. Denn die Suche die mich leitete war sehr geprägt davon, etwas zu erkennen, das sich nicht erkennen lies. Zumindest nicht für mich.


Die ganzen Straßen waren voll mit Menschen die auf der Suche waren. Da ich eine ganze Weile meines Lebens auf der Straße lebte, zwischen Pennern und Alks und Drogendealer und Prostituierten, war es nur logisch, das ich etwas Frieden suchte. Den ich aber nicht in den Religionen fand, in die ich mich vertiefte.
Ich arbeitete damals als kleine Straßen Künstlerin, nahm Drogen und war ein Punk. Das war meine Zeit der Beobachtung. Ich begriff, das man Gewalt nur dann anwendet, wenn es keine Möglichkeit mehr gibt. Rückzug erfordert Kraft und Energie. Zu dem Zeitpunkt war mein Freund der Theologe schon tot, aber ich fand andere Menschen die mich begleiteten. Einen Künstler der mich unter seine Fittiche nahm und mir viele Kunstrichtungen offenbarte. Ich tauchte ein in Farben die ich vorher noch nie gesehen hatte. Das war absolut Göttlich. Ich fing an mit meinem Blut zu malen und empfand das Gefühl ein Teil allem zu sein. Vielleicht war das der Anfang von meiner eigenen Religion. Er war Alkoholiker und drogenabhängig das wusste ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht. Wir malten wie Besessene und er zeigte mir Wege mit meiner eigenen Wut umzugehen. Irgendwann begriff ich, das man zu Gott finden kann, ohne einen Pfarrer zuzuhören, man musste nur die Augen aufmachen und die Welt erblicken und auf einmal ist ein Gänseblümchen ein Wunder. Es gab eine Zeit da habe ich alles in Blau gemalt. Wie so viele Künstler vor mir, tauchte die Welt in ein blaues Licht und von dort in ein Lichtermeer der Farben.Als dann meine Bilder geklaut wurden, hörte ich auf zu malen. Und seit dem habe ich kein einziges Gemälde beendet. Auf meinem Dachboden sind so viele angefangene Bilder und seit fast 4 Jahren wartet eine Auftraggeberin auf ihre Gemälde, die ich einfach nicht fertigstellen kann, weil mir der Funke fehlt den ich damals durch den Diebstahl verloren habe - ich habe Glück die Auftraggeberin  kennt mich schon sehr lange und weiß das ich - was Kunst betrifft, so langsam bin wie eine Schnecke, die die Welt umkreisen will.


Heute habe ich meinen Frieden gefunden, auch wenn ich nicht mehr male. Es war eine Zeit da musste ich meine Energie und meine Wut in Farben tauchen. Das war eine Religion die ich lebte. Heute schreibe ich Texte und empfinde den Weg dorthin als nicht mehr steinig sondern fließend. Religion ist eine Kraft der Schöpfung. Dabei spielt es keine Rolle welche man wählt. Je mehr man sich damit befasst, desto mehr Geheimnisse werden sichtbar und je mehr Geheimnisse sichtbar werden, desto mehr erkennt man sich darin.
Ich glaube es spielt keine Rolle welche Religion man hat, ob man dem Gott einen anderen Namen gibt. Ich glaube alle Religionen können verbinden, vereinen und vermitteln. Wir glauben weil wir den Sinn in unserem Menschsein nicht verlieren wollen.Wir wollen an der Hoffnung festhalten, der uns diese Einsicht lehrt. Ob dieser nun Jesus, oder Abraham oder Jahwe heißt, letztendlich spielt es keine Rolle, wenn man es friedfertig lebt.
Als ich dann zum Buddhismus kam, vergingen viele Jahre, ich begriff, das es auch hier einen Anfang gab, der sich im Hinduismus findet. 


Und ich fand es interessant das sich das Leben des Buddha mit dem des Jesus spiegelt. Beide Menschen hatten eine gesteigerte Wahrnehmung sie fanden Wege um die Welt mit ihrem Dasein zu begreifen und sie hielten nicht inne, sondern zogen von Ort zu Ort um das Wissen mündlich weiter zu geben. Es sind die kleinen Menschen, das Volk das Religion macht und die großen Menschen die Politiker und Adligen die versuchten die Religion zu unterbinden. Religion ist Macht, weil es dem Volk Hoffnung verleiht. Und Hoffnung kann man nur schwerlich töten.
Religion bedeutet für mich, mich vielen Wegen zu öffnen. Über mich hinaus zu sehen. Die Welt als solches mit ihrem Inhalt wahrzunehmen. Ich kann die Wissenschaft neben der Religion stehen lassen, beide haben ihre Berechtigung. Und der Zweifel spornt an, noch tiefer zu tauchen, so wohl in die eine Richtung als auch in die andere - so geht es zumindest mir.


Ich habe in meiner Religion endlich den Frieden gefunden den ich vergebens in anderen Religionen suchte. Man läuft immer die gleichen Ziele ab, Ansporn, Wut und Macht und am Ende kommt man wieder dort an, wo man selbst zu finden ist. Für mich war es ein wichtiger Lauf, ohne Grenzen. Während ich noch bei dem Christentum voller Wut war, teils wegen meinem eigenen Leben, meiner Kindheit und meiner Entsagungen und teils weil ich es unfair fand, was hinter den Mauern so ehrbarerer Christen so alles zerschlagen wird, ohne das andere davon erfahren, geisterte ich durch das Judentum, bei dem ich nur kurz verharrte, der Koran hat mich etwas länger fasziniert. Aber der Buddhismus hat mich gelehrt, das nichts umsonst ist, dass wir die Dinge die wir erleben auch erfahren müssen, fühlen müssen um sie zu verstehen. Das es manchmal auch weh tun muss, um den Sinn im Schmerz zu erkennen. Warum er geschah, wie er sich anfühlt und wohin er mich trägt.


Im Buddhismus ist Leid allgegenwärtig. Das ist die Grundsubstanz allen Werdens und Vergehens. Und das war logisch für mich, das konnte ich endlich so stehen lassen. Daran gab es nichts zu rütteln.Ich konnte mich endlich finden und das gab mir die gleiche Hoffnung wie den anderen Gläubigen die unter uns weilen. Ich tauchte ein in die Reden des Buddha, doch mir wurde bewusst, um es wirklich zu verstehen, kann ich nicht einfach sitzen bleiben und lesen. Ich muss es erleben.Ich glaube wenn man anfängt die Religion mit dem eigenen leben zu verbinden, wird sie zum eigenen Spiegelbild. So ging es mir und so geht es mir immer noch.
Ich konnte anhand des Buddhismus begreifen, das es einen Sinn gibt, hinter den Kriegen und Morden. Hinter dem Missbrauch und der Gewalt. Das gab mir ein Gefühl von Zugehörigkeit. Im Leid findet man auch andere Menschen die ähnliches teilen.Man ist nicht mehr ganz so alleine. Auch eine Möglichkeit um Religion zu begreifen, dieses umarmen im Mitgefühl, Respekt und Achtsamkeit.Ich wurde eine weltliche Nonne (so bezeichne ich mich manchmal selbst), die nur im leisen lehrt.


Und ich stehe seit dem zwischen zwei Welten, dem großmäuligen ICH und der leisen Achtsamkeit die sich in der Natur wiederfindet und lehrt. Beides nebeneinander. Ich kann genauso herbe Sprüche verteilen wie ich buddhistische Mantren lesen und singen kann. Das ist für mich eintauchen in die Welt meiner Mitmenschen. Was nutzt es mir, wenn ich achtsam bin und niemand versteht mich.Ich weiß nicht ob ich jemals initiere, ich glaube nicht. Das würde bedeuten ich verlasse die Menschen die mich lieben und bringe Leid in ihr Leben. 
Es reizt vollkommen abzuhauen und ein Nonnenleben zu führen, hinter Mauern umsorgt und in der Stille sich selbst nur findend. Aber gleichzeitig ist es eine Flucht vor dem was uns Menschen ausmacht, ich lebe Dana, ich gebe weil ich darin einen Sinn finde. Ich liebe es wenn andere Menschen sich freuen. Das bringt Glück in die Herzen anderer. Meine große Schnodderschnauze macht mich sichtbar, und anstatt mich auf eine Leiter zu stellen, hocke ich neben meinen Nachbarn auf dem Boden. Das ist es was ich will und das ist auch das was Buddha und Jesus wollten, sie wollten unter den anderen wandern. Aus dem Grund bin ich auch so offen, hier wie bei mir zuhause. 


Das ist meine Religion, darin finde ich mich wieder und ich gebe es weiter indem ich einfach zuhöre und verständnis habe und liebe gebe. Friedvoll bin so gut ich kann (ich kann nicht immer ;O) ), aber an erster Stelle steht Mitgefühl allen Wesen gegenüber.Ich mach mich bewusst angreifbar, denn nur so kann man etwas vermitteln - Frieden.


Sorry wegen der Länge - aber ich wollte euch so gerne mitteilen, woran ich glaube, was mir wichtig ist. 
Ich hätte hier auch ganz viel über Buddhismus reden können. Aber was bedeutet das Wort, wenn man den Menschen dahinter nicht erblickt.

Ich wünsche euch eine gute Vorweihnachtszeit, der erste Advent steht vor der Tür, lasst ihn einfach ein, egal in welcher Religion ihr verweilt.
Grüße von Jo, Alias Amoha, Alias Jobrisha und -  Alias Yen ;O)



Montag, 5. November 2012

Die letzte Stunde im Leben meiner Diva Flo...


Das letzte Bild von Flo im Oktober 2012 in unserer Küche aufgenommen.


Flo hatte heute Nacht einen Schlaganfall. Sie schleppt sich nur noch von einer Seite des Wohnzimmers zur anderen. In einer Stunde kommt unsere Tierärztin....
Wir hatten wundervolle und teils auch sehr lustige 15 Jahre mit ihr.

Ich möchte jetzt und hier an sie denken und euch daran teilhaben lassen.

Wie all meine Tiere kam auch sie aus komplizierten Verhältnissen, die ersten Monate verbrachte Flo im Puppenwagen eines Mädchens. Sie wurde noch mit geschlossenen Augen im Wald gefunden und die Mutter des Kindes päppelte sie auf. Danach wurde sie der kleinen Tochter übergeben. Wir wurden eingeschaltete weil Flo aggressiv wurde, sie fing an zu beißen. Also nahmen wir sie zu uns. Damals war sie wenige Wochen alt.
Wir hatten zu dem Zeitpunkt einen kranken Kater der sich ihr annahm. Er hieß Frosch und da Flo vom Boden auf unseren Rücken sprang um uns dann in den Nacken zu beißen, nannten wir sie Flo.

Flo entwickelte sich im Laufe der nächsten Jahre sehr gut, aber sie blieb eine Einzelgängerin, das heißt sie war die Diva im Miteinander der anderen Tiere, sie brauchte nur die Pfote heben und schon kuschten die anderen, sogar unsere Hunde hatten Respekt vor ihr.

Sie hatte eine Stoffwechselstörung und aus dem Grund sah sie immer ein wenig Schwanger aus, das änderte sich vor etwa einem Monat. Sie nahm ab. Und ich dachte erst das liegt daran, das Blue, mein temperamentvoller Hund sie hin und wieder ärgert. Aber es lag nicht daran, Flo wurde krank.

Ich versuchte sie aufzupäppeln mit Vitaminen und mancher Leckerei. Aber seit einer Woche weiß ich, das sie einfach sterben wird. Ich warte immer auf eine Art Zeichen, meistens sagen mir die Tiere, wenn sie ihre Lebensqualität verloren haben und sie ins Siechtum übergehen. Dann erlöse ich sie, indem wir sie einschläfern lassen.
Flo war bis Gestern noch einigermaßen Fit, sie fraß, ein sicheres Zeichen für Hoffnung. Doch heute Nacht bekam sie einen Schlaganfall, sie kriecht nur noch und ihre Beine zucken bei jeder Bewegung. Die meiste Zeit liegt sie schwach und ohne Lebenszeichen in der Nähe der Heizung.
Heute morgen habe ich meine Tierärztin angerufen und wollte danach normalerweise meine Tochter in den Kindergarten bringen. Doch wie immer wenn ein Tier geht und das kam in den letzten 2 Jahren schon drei mal vor, fing meine Tochter an zu weinen und wollte nicht im Kindergarten bleiben. Also nahm ich sie wieder mit. Sie kennt den Sterbeprozess unserer Tiere, sie weiß wenn wir unsere Tierärztin rufen, dann liegt eines unserer liebevollen Begleiter im Sterben. Sie wollte dabei sein, bis zuletzt.

Und so wird es auch sein. In knapp einer Stunde kommt unsere Tierärztin. Ich bereite mich selten darauf vor, ich lasse es auf mich wirken, erst wenn sie gegangen ist, wird die Trauer kommen unaufhaltsam und schmerzhaft.
Innerhalb von nur wenigen Tagen ist Flo gealtert, meine Tochter sagte eben, als sie kurz zu mir kam: "Flo ist wie eine alte Oma!" Und sie hat recht, meine kleine Flo ist nun so alt, das sie bald sterben wird. Es ist trotz Trauer so ein schönes Bild, Blue mein kleiner Frechdachs Hund sitzt neben ihr und bewacht sie. Es ist so als würde er genau wissen, das sie bald gehen wird. Und ich sitze hier und weine, weil ich den Anblick kaum ertrage und doch ist es gut hier zu sein. Diese letzten Minuten Abschied zu nehmen.

Sie wird immer in meiner Erinnerung bleiben, meine kleine bissige Flo und die große Diva die hier alle Tiere regierte.
...

NAMASTÈ wie wir Buddhisten sagen, wenn wir uns in Respekt begegnen oder verabschieden. Ich habe keine Ahnung ob Tiere wie Menschen übertreten in eine unbekannte Welt. Es ist mir auch nicht wichtig. Wichtig ist nur, zu begreifen, das sie genau wie wir ein Leben haben, das irgendwann vergeht.


Da gibt es einen Anfang, eine Mitte und ein Ende.
Und was bleibt sind vielleicht genau wie bei uns, eine Erinnerung an das was war.

Blue und Bella, meine Hunde liegen neben ihr. Meine Tochter sitzt hier am Tisch und spielt mit ihren Fili Pferden und ich schreibe, während mein Blick immer wieder zu ihr geht, um jede Veränderung mitzubekommen.


Ich fühle meine eigene Veränderung, dieser leise Schmerz der noch nicht hochgekommen ist.


Wir warten..... Nun sind es nur noch 20 Minuten. Flo liegt wieder vor der Heizung, man sieht ihren Atem nicht und Blue blickt sie unverwandt an. Ganz nah liegt er bei ihr, das hätte er sich vor gut 2 Wochen nie getraut, nun bewacht er die Diva, während meine Tochter nun in ihrem Kinderzimmer ist und zum wiederholten Male fragte: "Wann kommt die Elo (unsere Tierärztin)?" und ich sagte zum wiederholten Male:
"Bald!"

Meine Frau hat bereits angerufen und sich erkundigt wie es unserer Katze geht: "Unverändert" sage ich.
Sie wäre am liebsten hier und würde uns beistehen, ich habe nur selten in meinem Leben alleine den Sterbeprozess begleitet. Heute begleite ich ihn mit meiner Tochter.


Ich habe ein wenig Angst, das Flo einen Todeskampf mitmachen muss. Ich habe das einigemale erlebt. Ein totkrankes aber starkes Tier - mein Frosch konnte nicht mehr atmen, aber er hat bis zuletzt nach Atem gerungen. Ich wünsche es ihr nicht, ich wünsche es uns nicht...

Ich wünsche ihr einen schönen Übergang, ein Einschlafen. Und wie immer denke ich darüber nach, ob es mein Recht ist, diesen Prozess zu beschleunigen. Wenn ein Mensch sagt: "Ich will sterben" und er wirkt seinem Tod entgegen, so ist das seine Entscheidung. Ich MENSCH entscheide für unsere Tiere. Wenn ich innerlich das Gefühl habe, jetzt ist es soweit, dann halte ich den Tod nicht künstlich auf. Ich lasse sie gehen.

Ich würde genauso gehen wollen, sag ich mir dann. Aber ich kann es entscheiden wenn ich Glück habe. Sie nicht....

Es ist ein immer währender Prozess, sich mit den eigenen Konsequenzen auseinander zu setzten, sich bewusst zu machen. Das man über Leben und Tod entscheidet.
Jedes unserer 11 Tiere wird durch uns erlöst, oder eben nicht.

ICH ertrage die Qual nicht die meine Katze sichtbar durchmachen muss. Ihre Glieder zittern und sie zuckt hin und wieder.
Wie erträgt sie das?
Was fühlt sie in diesem Moment?

Ich fragte einmal ob Tiere denken, das war in Google und es wurde eine Endlos Diskussion daraus, da war jemand der sagte: "Was interessieren mich die Gedanken der Tiere" (ich habe hier in meinem "Block" davon berichtet).

Ich reagierte wütend und traurig. Mich interessieren die Gedanken der Tiere. Was weiß ich denn schon, ich Mensch über die Belange unserer Haustiere, unserer sogenannten Nutztiere.
Ich weiß nichts.
Ich vermute eine Menge, aber mehr auch nicht...

Ich warte....

Noch 9 Minuten dann ist es 10 Uhr. Wenn Elo pünktlich kommt, ist Flo nur noch wenige Minuten bei uns.
Ihr geht es unverändert, noch immer liegt sie vor der Heizung und Blue liegt nah bei ihr. Auch er hat sich keinen Zentimeter bewegt.
Ob Hunde trauern können?

Ich weiß es nicht, er lässt die Luft laut rauß, dieses PUH, ist das was ich schreien mag. Gerade eben sind mir die 9 Minuten zu lang und zu kurz.
Ich hasse diese Zeit des Wartens. Meine Tochter hat sich nun ihre Malsachen geschnappt und malt einen Himmel und sagt, das ist dann für Flo. Wenn wir sie beerdigen dann geben wir ihr das mit. Sie malt alle unsere Tiere, Bella, Blue, Tattoo, Flocke und auch Flo. Ich frag sie ob sie die Hühner und die Schafe auch malt.
Sie sagt: "Das kann ich nicht, aber ich wenn du mir hilfst, mal ich die auch!" Also malen wir die Hühner und Schafe, auf das alle unsere Tiere vereint sind.
Nun habe ich meine Schafe und Hühner gemalt, sie sehen ein wenig merkwürdig aus, Shaya meint sie sind alle Schwanger.

Flo hat sich nicht mehr bewegt, ich glaube sie schläft... ich geh nicht zu ihr, ich lass sie in Ruhe. Das kenne ich von anderen Katzen, wenn sie gehen wollen, wollen sie in Ruhe gelassen werden. Also halt ich mich zurück.

Blue hat ihre Pfote geleckt und jetzt liegt er wieder neben ihr, Pfote an ihrer Pfote. Ich schau mir die beiden an. Ihr Atem geht nur ganz schwach. Ein Zucken läuft über ihren kleinen Körper. Meine Tochter hat Flo als Käfer gemalt, mit lauter Beinen und einem Grinsen im Gesicht.
Ich frag nicht nach, ich denke es ist ihre Art mit der Situation klar zu kommen. Alle anderen Katzen haben 4 Beine und sehen aus wie Katzen.

Wir haben jetzt 10 Uhr. Elo wird sich verspäten. Ich bin so dankbar, das sie her kommt. Ich kann nicht mit der totkranken Flo zu ihr fahren. Das schaff ich nicht, nicht mit Kind und zwei Hunden im Gepäck. Ich muss ja auch irgendwie wieder nachhause kommen. Wir kennen uns schon seit 10 Jahren. Seitdem Flosch gestorben ist.
Ich wüste nicht wie ich ohne sie so viele Tiere beherbergen könnte. Das wäre absolut illusorisch. Sie hilft uns indem sie die Tiere teils kostenlos verpflegt. Das nennt man im Buddhismus Dána.
Sie schenkt uns die Behandlung. Oder sie vergisst es einfach uns eine Rechnung zu schicken. Oft genug habe ich darum gebeten, Seit einigen Jahren nehme ich ihre Geschenke an.
Dafür dürfen Tiere kommen, die kein Mensch will.

Elo hat eine kleine Tierarztpraxis mitten im Odenwald, von dort kommt sie jetzt. Sie kommt für uns den weiten Weg hoch gefahren, während die Leute in der Praxis warten müssen, bis sie wieder da ist.
Ich nehme diese Art von Geschenken mit voller Liebe an....

Eben bin ich furchtbar erschrocken Flo ist sehr schnell durch das Wohnzimmer gekrochen und Blue hinterher. Jetzt liegt sie auf dem Teppich. Und Blue liegt wieder neben ihr und schaut mich etwas ratlos (ich weiß, das vermute/interpretiere ich) an.
Wir warten immer noch...

Kennt ihr das Gefühl wenn der Magen sich langsam umdreht, so geht es mir, ich kann nichts essen und doch habe ich Hunger. Ich habe vorhin, bevor ich hier anfing zu schreiben, Flo noch kleingemanschtes Katzenfutter hingestellt, sie fraß es nicht. Also kann ich auch nicht...obwohl mein Magen Hunger hat.
Auch meine Tochter kann nichts essen, sie malt gerade das Bild für Flo aus. Lauter bunte Tiere und in der Mitte ein kleiner lilafarbener Käfer, der Flo heißt.
Am Rand ist der Himmel in einem dunkelblau und da leuchtet die Sonne in einem strahlenden Gelb. Ich wünschte ich wäre noch einmal ein Kind, ich würde gerne die Welt so bunt sehen wie meine Tochter.
Die Lilafarbene Flo liegt auf einem Hügel und streckt den Bauch der Sonne entgegen. Daneben ist eine rote Tattoo und ein rosafarbener Flocke.


Das Warten fällt mir immer schwerer. Blue fängt an zu fiepsen. In der Ferne höre ich Autos. Aber Elo ist noch Fern.

Flo wackelt und zittert als wäre sie ein neugeborenes Kätzchen. Und hin und wieder zuckt ihr kleiner Körper. Ich komme mir vor wie ein Lüstling, weil ich sie beobachte, während ich diese Zeilen schreibe. Sie ist jetzt ganz nah bei mir. Liegt gerade einmal wenige zentimeter von meinem Bein entfernt. Doch wenn ich meine Hand zu ihr strecke, dann bewegt sie sich nicht.
Flo war eigentlich meine Katze, ich habe oft gesagt, sie ist so wie ich. Sie beißt und kratzt und ist eine Diva. Ein wenig wie ich.
Meine Tochter hat nun ihr Bild neben Flo gelegt, und erzählt ihr, das da all die Tiere sind die bei uns leben und sie zeigt Flo das das die lilafarbene Flo ist.

Sie möchte sie so gerne streicheln, aber ich erlaube es nicht. Ich sage ihr, das unsere Flo schmerzen hat und in Ruhe gelassen werden will. Sie akzeptiert das und darüber bin ich sehr froh. Ich brauche keine großen Erklärungen abgeben. Sie weiß ja Elo kommt bald und unsere Flo ist sehr sehr krank.

Blue hat sich jetzt an die Heizung gelegt zu seinem Katzenfreund Flocke. Nun steht er wieder auf und legt sich zu Flo. Warum er das nur macht.
Er bewegt sich wieder richtung Heizung. Dort kuschelt meine Tochter mit ihm, während wir alle warten...

Während ich aus dem Fenster schaue, werden mir solche Unwichtigkeiten wie der blühende Kaktus bewusst. Ich denke bei mir, wie schön er ist, es dauert nicht mehr lange und er steht in voller Blühte und das im November. Der Radio läuft und ich höre einen Hund der bellt und eine Apothekenwerbung.
Ich bitte meine Tochter das Radio auszuschalten, ich ertrage gerade keine Werbung. Meine Tochter meint: "Du musst dich konzentrieren Mami" Und schaltet das Gerät ab.
Ich muss wieder daran denken, wie unkompliziert und liebevoll mein Kind ist.
Ja ich konzentriere mich darauf nicht in Tränen auszubrechen, gelassen zu bleiben. Ich zitiere innerlich einige Sanskrit Mandren, atme, atme...
Und höre den Autos zu die vorbei fahren.

Und während ich immer noch schreibe, liegt Flo unverändert auf dem Teppich. Bella schnuppert an ihr und legt sich wieder unters Klavier, ihren Lieblingsplatz. Shaya isst einen Apfel und mir hängt der Magen im Darm.

Meine Tochter rennt durch die Wohnung hin und her den Flur entlang und Bella begleitet sie. Es ist ihre Art sich abzureagieren und ich lass sie. Blue bleibt bei Flo, als wäre er hier im Wohnzimmer festgebacken. Er wartet mit mir, als wäre es die normalste Sache der Welt darauf zu warten bis die Diva stirbt.
Flo hat sich bewegt und ihr kleiner Kopf scheint unendlich schwer zu sein, sie zittert und eine drehung ihres Kopfes dauert unendlich lang. Nun schläft sie wieder.
3 Minuten später bewegt sie sich wieder und will vorwärz robben, doch das funktioniert nicht mehr. Also sitze ich eine Weile neben ihr, und rede beruhigt mit ihr, ganz leise. Dabei streichel ich ihr ganz sanft über das Fell. Sie schnurrt nicht mehr....

Meine lautschnurrende Diva schnurrt nicht mehr. Es ist merkwürdig was weh tut.. es ist diese unglaubliche Stille. Keines meiner Tiere macht einen Laut. Die einzige die jetzt nach weiteren 5 Minuten redet ist meine Tochter. Sie hat ihren Arztkoffer ausgepackt und hört mein Herz ab, weil ihr Herz so laut schlägt.
Ich scheine keinen Herzschlag zu haben, denn sie hört ihn nicht. Also bekomme ich eine Spritze.

Es ist ihre Art mit all dem Klar zu kommen und ich lasse sie spielen, während ich warte, schreibe und blicke immer wieder aus dem Fenster.

Eben rief meine Frau an, wir unterhielten uns leise. Und es tut mir so leid, das sie nicht hier sein kann. Ihre Stimme war so traurig.
Ich sagte ihr, das ich anrufen werde, wenn Elo weg ist....


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11:51
Flo ist seit einer Stunde tot.

Eben ist Elo zurück in die Praxis gefahren, wir haben noch viel geredet. Einfach so, über Belanglosigkeiten. Als sie fuhr sagte sie, eingendlich das was sie immer sagt: "Dein Glaube ist ein Trost, auch für mich..."
Flo starb um kurz nach halb Elf. Sie starb ganz friedlich in meinen Armen. Elo war mit mir einer Meinung, Flo hatte einen Schlaganfall. Eine Heilung gab es nicht, sie hat mir angeboten den Tod mit Cortison und Vitaminspritzen aufzuhalten, sagte aber: "Rechne höchstens mit Tagen, nicht mit Wochen, oder gar Monaten!"
Wer kann schon den Tod aufhalten. Er ist unaufhaltsam. Für mich hätte das bedeutet, Flo noch einige Tage bei mir zu haben. Dann wäre Elo wieder gekommen und hätte das getan was sie heute getan hat. Ich bin ihr unglaublich Dankbar.
Es ging sehr schnell, innerhalb von sekunden war Flo eingeschlafen. Dann setzte das Herz fast aus, Elo meinte, sie sei so schwach. Sie spritzte das Gift ins Herzchen, dann starb mein kleines Kätzchen ruhig und nur ganz wenig Zuckungen verrieten, das das Herz die letzten Kontraktionen tat.
Nun liegt sie auf dem Teppich, eingewickelt in ein rosafarbenes Tuch. Ich lasse sie dort liegen bis meine Frau nachhause kommt und dann suchen wir einen schönen Platz im Garten.
Das Leben geht weiter. Jeder Tod bringt einen neuen Tag hervor, auch wenn man in Trauer ist und die Tränen laufen. Es spielt keine Rolle, die Zeit lässt sich nicht aufhalten.
Elo berichtete von 5 kleinen Katzen, die ein Zuhause suchen. Ich sagte leise: "wenn du niemanden findest, darf eine kommen..."
So leben wir. Flo hat einen Platz frei gemacht. Wer diesen Platz übernimmt, weiß ich nicht. Es spielt auch keine Rolle. Es gibt so viele verlassene und misshandelte Tiere auf dieser Welt. Eines wird irgendwann hier einziehen.
So leben wir und so trauern wir.

Flo wird immer in meinem Herzen sein, wie all die Tiere und Menschen die bisher in meinem Leben gestorben sind.
Es geht weiter, das Leben. Trotz Tod....
Namasté meine kleine Diva, wo immer deine Seele nun ist. Ich habe dich sehr geliebt... und ein Teil von mir wird nie aufhören an dich zu denken....


Deine Jo