Mantra Musik

Sonntag, 4. Dezember 2016

Weihnachten - ein Fest der Liebe? - Wirklich?




Wie jedes Jahr stehe ich vor Entsetzen im Laden, vor mir auf dem Band: Ente und Huhn eingepackt in Plastikfolie. Hinter mir im Einkaufswagen Ente und Gans. Die Musik dudelt schon im Oktober und die ersten Weihnatsplätzchen findet man im September im Regal.
Die Truhen sind voll mit Fleisch und die Leute befinden sich bereits Anfang November im Kaufrausch.

Weihnachten wird als Fest der Liebe bezeichnet, sehr einseitig wenn man bedenkt, das die Gänse und Enten bereits im Herbst als Lebendware angeboten werden, damit sie zu Weihnachten gemästet auf dem Esstisch landen.
Und wenn Weihnachten endlich vorbei ist, geht es weiter an Silvester, dort werden dann Karpfen, Hase und co ihr Leben lassen müssen.

Oft frag ich mich wie das Fest der Liebe mittlerweile definiert wird, ein Handel wer mehr Geld ausgeben kann? Oder welche Geschenke höher zu bewerten sind oder wer die größte Gans auf dem Tisch hat?
Oder welche Familie am wenigsten am Weihnachtstisch streitet?

Wo hat Liebe zu Weihnachten ihren Raum?


Sind es die bunten Lichter oder die Kerzen am Fenster, die uns vorgaukeln: Hier findet man besonders viel Liebe?
Ist es der Geruch nach Bratäpfeln oder Tannenzweige oder eher der fahle Gestank von weggeworfenen Essen.

Denn nach Weihnachten erlebt die Müllabfuhr ihren eigenen Weihnachtsbraten in Form von vergammelten Lebensmitteln die übrig geblieben sind und dann entsorgt werden müssen. Plätzchen die kein Mensch isst, Spielzeug das gerade mal einen Tag gehalten hat, Kuchen der zu viel eingekauft wurde oder gebacken. Gräten und Knochen von Tieren die Kinder in ihren Bauernhofbüchern als süss bezeichnen, die sie dann zu Weihnachten entweder verschmähen oder fröhlich kauend runterschlucken (oft ohne zu wissen, woher sie kommen und das sie für die Malzeit sterben mussten).

Weihnachten ist für mich kein Fest der Liebe, sondern ein aufgezwungenes Ritual - das war es schon immer. Die Weihnachtsgeschichte verblast spätestens wenn jingle Bells zum Wiederholten mal an der Ladenkasse ertönt. Oft ist der Kontrast zu dem was wir im Wagen haben, so extrem zu dem was andere im Wagen haben, das ich mich jedes Jahr frage, kaufen die Leute für eine ganze Fußballmanschaft ein, oder denken sie der Weltuntergang steht nah?

Ich habe den Nachteil oder Vorteil (je nachdem wie man es sehen möchte) das ich nach meinem 4 Lebensjahr ohne Weihnachten aufgewachsen bin. Dadurch ist mir Weihnachten fremd. Wenn ich eingeladen werde, gehe ich aus Respekt des Gastgebers hin (mittlerweile klappt das ganz gut, oft musste ich aber auch schon absagen) und nicht weil ich Weihnachten mag. Wenn ich mich in den Reihen der Kaufenden eingliedere dann tue ich das, weil ich denke das es wichtig ist, Weihnachten unserem Kind - in gewisser Hinsicht - zu ermöglichen, damit es Kulturell nicht abseits steht. Eine Tradition in dem Sinne haben wir nicht, Shaya hat sich vor Jahren einen weißen Plastikbaum ausgesucht, der jedes Jahr von uns dreien bunt geschmückt wird. Im Grunde genommen hängt an ihm all die Kleinigkeiten die wir im Laufe der letzten Jahre gesammelt haben, vom gerosteten Stern,bis zum Spielzeugweihnachtsmann auf einem Stroh Renntier. Manchmal packen wir auch schon früher die Geschenke aus, einfach weil wir alle uns nicht an den Heiligabend festhalten wollen. Wenn wir es wirklich aushalten so lange zu warten, werden sie spätestens am Frühstückstisch aufgemacht. Traditionen sind uns dreien zu festgefahren, wir freuen uns spontan. Ein anderes Weihnachten ja, aber ganz ehrlich, ich selbst brauche das alles nicht. Für mich sind Traditionen festgelegte Muster die sich immer wieder wiederholen. Sie geben mir weder Hoffnung, noch Geborgenheit. Vielleicht auch deshalb weil ich es nie so erlebt habe. Meine Erinnerungen sind frei davon. Mein Vater hat einmal versucht "eine Art Weihnachtsstimmung" aufzubauen, weil ich so im Winter gefroren habe, hat er meiner Schwester ihre Winterjacke abgenommen und mir geschenkt. Das ist die einzige schlimme Erinnerung an Weihnachten und meine Reaktion darauf, ich habe es wütend abgelehnt und ihn angebrüllt er soll seiner Tochter die Jacke wieder zurück geben, am Ende sind ein paar Schimpfworte geflogen und ich hab den rest des Winters weiter gefroren. Ich hätte mir lieber einen Zeh abgehackt als meiner kleinen Schwester die einzige Jacke weggenommen die sie hatte. Bis zu meinem 4 Lebensjahr habe ich wohl genau wie andere Kinder Weihnachten gefeiert, es gab einen Tannenbaum und einen Braten. Nach dem Essen hat mein Opa mit mir Schach gespielt. Das weiß ich noch. Wir haben Weihnachtslieder gesungen und irgendwann hat meine Oma mich ins Bett gebracht. Ich glaube das ich die darauffolgenden Jahre vergessen habe, welche Gefühle ich damals im Kreis meiner Großeltern hatte. Ich habe ganz ehrlich dieses Weihnachten nie vermisst, denn es gab wichtigeres in meiner Kindheit. Essen war Mangelware, später habe ich nur gegessen um irgendwie ein Gefühl von Sättigkeit zu erreichen. Da war es vollkommen egal was ich gegessen habe. Wer einmal den Geschmack von frischen zarten grünen Blätter gegessen hat, braucht keine Weihnachtsgans. So verrückt es klingt, als Kind war eine Karotte oder eine Erdbeere ein Geschenk der Natur (die hab ich mir vom Acker geklaut). Im Winter sind wir los und haben die alten Äpfel geklaut, im Sommer die Kirschen, im Frühjahr die ersten Salatköpfe. Wir haben nicht gewartet bis sie gewachsen und zubereitet wurden, wir haben sie so wie wir sie vom Acker geklaut haben, in den Mund gestopft. Uns lief der grüne Saft am Kinn runter, so lecker war dieser nach Erde duftender Salat.

Glück hat für mich nichts mit einem Schlitten voller Geschenke zu tun. Glück - das hab ich aus meiner Kindheit gelernt, findet man nur in sich selbst und nur dann kann man es an andere weiter geben.

Mir geht das Jingle Bells gedudel auf den Geist, ich könnte eigentlich das ganze Jahr veganen Marzipanstollen verdrücken, warum es den nur zu Weihnachten gibt, ist mir ein Rätsel.
Ich respektiere wenn meine Freunde im Weihnachtsrausch sind (Grüße an meine Freundin Anna vom Grinch). Ich finde es auch schön, Geschenke zu bekommen (ich bin die letzte die ein Weihnachtsgeschenk ablehnt.). Aber ich finde es einfach nur schrecklich, dass so viel Tiere, gerade zu Weihnachten sterben müssen. 


Wie kann man ein Fest: "Fest der Liebe" nennen, wenn es so viele Blutopfer benötigt um als besonders schön bezeichnet zu werden??

Wenn ich mit Leuten darüber rede, dass wir kein Fleisch essen, dann fällt es besonders zu Weihnachten auf, wie unterschiedlich meine Familie zu anderen Familien ist.

Unsere Traditionen sind neu und fremd und während ich mich selbst als Normal erlebe, erleben andere mich als Extrem.

Ein Weihnachten ohne Gans, ist für viele kein Weihnachten. Ein Silvester ohne Böller ist für viele kein Silvester.
DAS ist für mich Extrem - extrem an der Realität vorbei, denn wer nur seinen eigenen Vorteil sieht, ist Blind für die Probleme dieser Welt.

Freude, Liebe, Hoffnung, Nächstenliebe. Attribute die zu Weihnachten besonders hervorgehoben werden, bleiben letztendlich auf der Strecke, wenn man bedenkt, dass gerade in diesen Tagen (wenn man Silvester und Neujahr mitrechnet) so viel Leid verursacht wird.

Oft werde ich gefragt, ob es nicht auch für mich schön ist, wenn ich Kinderaugen zu Weihnachten leuchten sehe. Ich muss dann an meine Tochter denken die von sich aus, dieses Jahr sowohl auf ihre Geburtstagsparty als auch auf Weihnachtsgeschenke verzichtet hat (sie bekommt trotzdem was von uns, aber das weiß sie nicht) und deren Augen trotzdem leuchten.
Als sie mir sagte, was sie sich von uns wünscht, standen ihrer Mama und mir Tränen in den Augen. Von Mama wünscht sie sich ein Gedicht und von mir ein selbstgemaltes Bild ("einfach ein kleines Bild Mami, ich weiß ja dein Atelier ist noch nicht fertig").

Als wir ihr sagten, dass wir ihre Geburtstagsparty verschieben müsse, meinte sie: "Weißt du Mami, mir ist das überhaupt nicht wichtig. Lass uns doch einfach was gemeinsames unternehmen."

Ich empfinde tiefe Demut vor meiner neunjährigen Tochter, Liebe, Frieden, Glück. Vielleicht ist das ein Gefühl von Weihnachten. doch dann haben wir seit neun Jahren Weihnachten.
Denn diese Kinderaugen leuchten jeden Tag.



Nachdenkliche Grüße von eurer Andarnil

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