Ich habe eben einen interessanten Artikel gelesen, die Kommentare darunter waren eindeutig wohlwollend (Artikel folgt am Ende des Textes), bis auf einen.
Eine Frau reagierte erst einmal sehr ungewöhnlich, indem sie etwas aufgebracht verkündete: "Das ist doch alles ein Witz, selbst zu Vegan habe ich bald keine Lust mehr.." natürlich wurde sie kritisiert - es gab nur einen Menschen der sie verstand (und dennoch den Artikel super fand) - das war ich.
Ich lebe jetzt seit fast vier Jahren Vegan. Es gab eine Zeit da fiel es uns leicht vegan zu leben und jetzt ist eine Zeit da fällt es uns schwer. Früher war mir nicht bewusst, das die Vegane Ernährung (wenn man nicht alles - wirklich alles selbst kochen will) recht teuer ist. Wir hatten das Geld und wir waren Willens. Für diese Zeit bin ich sehr dankbar. Mittlerweile sieht es aber eher so aus, als würden wir wieder einen Rückschritt machen müssen, je weniger Geld man hat, desto schwieriger wird es den Veganen Lebensstandart aufrecht zu erhalten und das erleben wir gerade. Aber zurück zum Artikel. Auch wenn der Artikel versucht die vegetarische Ernährung in einem offeneren und somit auch freundlicheren Licht darzustellen so trennt er dennoch klar. Wenn jemand wie ich die meiste Zeit ausserhalb der eigenen vier Wände Vegetarisch isst, weil es nicht anders möglich ist und dafür dann von Veganern angegriffen wird versteht man die Reaktion der Frau besser. Denn die Ausgrenzung wird einem regelrecht um die Ohren gehauen.
Das Problem ist, dass man Einzelschicksale hier ausklammert. Menschen die vegetarisch leben, werden in veganen Communitys sofort an den Pranger gestellt unabhängig ihrer Geschichte. Ihr Dasein wird mit Fleischessern in einen Topf geworfen.
Wenn man bedenkt, dass es auf sozialer Ebene wie in Krankenhäuser, Kindergärten, Ganztagsschulen noch keine vegane Verpflegung gibt, wenn man bedenkt das es Menschen gibt die in Armut leben, ist das schon traurig das viele sofort aggressiv reagieren. Es wird von Seiten der Community selten gefragt warum jemand Vegetarier ist. Und leider ist es auch so das eine Begründung nur selten bis gar nicht stehen gelassen wird.
Oft erlebe ich es, dass jeder wie eine Dampflok sofort genug Argumente vorbringt damit der andere sein Leben ändert, unabhängig seiner persönlichen Geschichte.
Ich erlebe die vegane Community sehr eingeschränkt empathisch. Global betrachtet muss hier noch viel geschehen, denn der Mensch mit seinem Schicksal darf bei all dem Leid der Tiere nicht ignoriert werden.
Mir fehlt es an Verständnis und direkten: unter die Arme greifen. Mir fehlt es an einer veganen Tafel, die man z.b in grösseren Orten einrichten könnte.
Das Engagement ist da, nur leider wird die Energie oft da eingesetzt wo es bereits vegane Menschen gibt - in den einzelnen Gruppen, Internetforen usw. Gerade wir müssten mehr vegane Buddys rausschicken, damit auch Menschen mit sehr wenig Geld die Möglichkeit der Unterstützung haben.
Denn genau das ist oft das Problem bei Vegetariern. Sie würden gerne aber sie können nicht. Da hilft es leider auch nicht wenn man zu hören bekommt: das kannst du alles selbst machen, wenn man noch nicht mal Geld hat um die die ganzen Zutaten zu kaufen ...
Mein Fazit, ich und meine Familie tun unser Bestes um weiterhin Vega zu leben, aber ich weiß nicht ob wir das auf Dauer finanziell schaffen. Denn hier im Norden ist die vegane Ernährung erst in den Kinderschuhen, während im Süden bereits jeder Lebensmittelladen nachgezogen hat und einige bis sehr viele vegane Lebensmittel verkauft, ist man hier oft auf die größeren Städte angewiesen oder muss im Internet kaufen und wenn man keine Kreditkarte hat wird der Internetkauf oft auch hier auf wenige Portale eingeschränkt. So gesehen ist das Leben hier zwar schöner, aber als vegan denkender und gerne lebender Mensch nicht gerade einfach. Vorallem dann wenn man auch noch Ansprüche an die eigene Ernährung hat. Trotzdem wenn man mich jetzt fragt, ob ich lieber wieder Vegetarierin werde, sage ich ganz klar Nein. Ich esse ausserhalb der Wohnung wieder Vegetarisch, aber zuhause essen wir Vegan. Das ist ein Kompromiss den ich in unserem Fall als notwendig betrachte.
Alles liebe eure Jo Andarnil
Ein Artikel von Helmut F. Kaplan*
"Vegetarisch oder vegan?
Notwendige Bemerkungen zu einer überflüssigen Debatte
Vegetarier haben es wirklich nicht leicht.
Eben noch von den Fleischessern verspottet, droht nun schon wieder Ungemach, diesmal von der anderen Seite: Kritik von den Veganern, die nicht nur Fleisch, sondern auch Milchprodukte, Eier und Leder als unmoralisch ablehnen. Dazu gleich eingangs zwei Thesen, um die Problematik und Brisanz der Frage 'Vegetarisch oder vegan?' zu veranschaulichen:
Die Kritik der Veganer an den Vegetariern ist erhisch-faktisch völlig richtig.
Die Kritik der Veganer an den Vegetarieren ist politisch-strategisch völlig falsch.
Wie immer, wenn es um emotional aufgeladene und sachlich vielschichtige Diskussionen geht, empfiehlt es sich auch hier, zunächst nüchtern die Fakten zur Kenntnis zu nehmen:
Jede kommerzielle Nutzung von Tieren, also auch die in der Milch-, Eier- und Lederindustrie, bedeutet de facto eine Ausnutzung der Tiere - weil Konkurrenz, Wirtschaftlichkeitsdenken und Profitstreben automatisch zur Ausbeutung der Tiere führen. Darüber hinaus besteht zwischen der Milch-, Eier- und Lederindustrie einerseits und der Fleischindustrie andererseits ein vielfältiger, enger und unlösbarer Zusammenhang dergestalt, daß jeder Konsum bzw. jede Nutzung von Milch(produkten), Eiern und Leder gleichzeitig die Fleischindustrie ankurbelt.
Dazu nur drei Beispiele: Die Kinder der Milchkühe, die Kälber, landen, sofern sie nicht weiblich sind und ebenfalls der qualvollen Milchproduktion zugeführt werden, im Schlachthaus; die Kinder der Legehühner enden, wenn sie männlich sind und nicht gleich nach der Geburt vergast, ertränkt oder in den Fleischwolf geworfen werden, als Brathähnchen; der Verkauf von Leder erhöht die Gewinnspanne der Fleischproduzenten.
Andererseits ist es aber völlig abwegig, wie nicht selten praktiziert, Vegetarier und Fleischesser 'in einen Topf zu werfen', nach dem Motto: 'Wer Käse ißt, kann gleich auch Fleisch essen!' Selbstverständlich richtet der Fleischesser einen größeren Schaden an: weil er nicht nur, wie der Vegetarier, die tierlichen Milch- und Eier-'Lieferanten' direkt ausbeutet und die Fleischindustrie indirekt fördert, sondern weil er darüber hinaus auch noch die Fleischindustrie direkt forciert. Der Fleischesser, der ja immer auch ein Milch-, Eier- und Lederkonsument ist, hat schlicht und eindeutig viel mehr Tiere auf dem Gewissen als der Vegetarier.
Eine ganz andere Tatsache, die es bei der Frage 'Vegetarisch oder vegan?' ebenfalls zu berücksichtigen gilt, ist aber diese: Zum Veganer wird so gut wie niemand mit einem Schritt. Vielmehr vollzieht sich die Wandlung vom Fleischesser zum Veganer fast immer über die Zwischenstufe Vegetarier. Schon allein aus diesem Grund wäre es unsinnig, die de facto notwendige Voraussetzung für den Veganismus, den Vegetarismus, zu verteufeln.
Hinzu kommt: Für den Vegetarismus kann und soll man offen und öffentlich werben. Hier ist 'Überzeugungsarbeit' sinnvoll und notwendig. Und zwar deshalb, weil die faktischen und ethischen Gründe für den Verzicht auf Fleisch nicht nur rational, sondern auch 'lebenspraktisch' unmittelbar plausibel gemacht werden können: die Wurstsemmel durch eine Käsesemmel und die Fleischsauce durch eine Kräutersauce zu ersetzen - das kann man sich verhältnismäßig leicht vorstellen. Aber mit einem Schritt auf 'alles' zu verzichten, überfordert die Phantasie (nicht zuletzt aufgrund des unzureichenden Informationstandes) und provoziert Angst, Ärger - und vor allem Flucht: 'Dann mach´ ich doch lieber gleich so weiter, wie bisher und esse alles, worauf ich gerade Lust habe!'
Zum Vegetarismus kann man die Menschen führen, zum Veganismus müssen sie selber kommen. Der Schritt zum Veganer vollzieht sich im Stillen, im Privaten. Allerdings in aller Regel nur unter einer Voraussetzung: wenn die Menschen motiviert sind, aus ethischen Gründen auf die Ausbeutung von Tieren zu verzichten. Und die Sensibilisierung dazu erfolgt fast immer im Zuge eines ethisch begründeten Vegetarismus. Deshalb ist es so wichtig, die Menschen zum ethischen Vegetarismus zu führen. Alles andere und weitere geschieht, wenn es geschieht, von selbst.
Die Verurteilung von Vegetariern schafft keine Veganer, verhindert aber Vegetarier. Die Verteufelung des Vegetarismus bringt keinerlei Nutzen, aber immensen Schaden. Entscheidend ist, wie gesagt, die moralische Motivation. Deshalb sollen diejenigen, die die ehrliche Absicht haben, auf Fleisch zu verzichten, diejenigen, die bereits am veganen Ziel sind, und "alle dazwischen" an einem Strang ziehen - anststatt sich gegenseitig auszugrenzen und damit den Tieren zu schaden.
Wäre der Konflikt zwischen Vegetariern und Veganern nicht Realität, er würde vielleicht von den Werbestrategen der Fleischindustrie erfunden - und wäre eine geniale Idee. Über nichts freuen sich die Fleischesser mehr als über streitende Nichtfleischesser!"
Helmut F. Kaplan*
* Helmut Friedrich Kaplan ist ein österreichischer Autor, der sich hauptsächlich mit Tierrechten und Ethik befasst
Bildquelle: Unser Tierhof Amoa den wir im Juli 2016 aufgeben mussten. Unser Hof heißt jetzt Katzenhof Amoa und darf natürlich gerne unterstützt werden. Weitere Infos über: Facebook: Katzenhof Amoa
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