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Dienstag, 6. September 2016

Unser Schulsystem - Gedanken


Ich habe mittlerweile viele Diskussion von Schulgegnern und Schulbefürwortern mitverfolgt.
Und immer wieder begegnen mir drei Totschlargargumente zum Thema, in einer Endlosschleife:

"Das Leben ist kein Ponyhof" und "Mir hat Schule auch nicht geschadet" und das dritte: "Kinder aus anderen Ländern würden sich freuen, wenn sie zur Schule könnten".


 "Das Leben ist kein Ponyhof/Wunschkonzert usw"

- die Schröders (Punkband) gehören geschüttelt - dieses Zitat bedeutet im Klartext das das Leben hart und rau ist. Eltern die so argumentieren bedenken nicht, dass ein Kind den Übergang der Schwangerschaft zur Geburt als unangenehm empfindet. Damit geht es los, der Übergang vom Baby, zum Schulkind ist mit vielen Unwohlsein Zeiten verbunden, das Kind zahnt, Es verliert die ersten Zähne, es entdeckt sein eigenes ICH, es möchte Dinge tun die es nicht kann. Es fängt an sich und die Welt zu hinterfragen. Diese Zeit ist alles andere als einfach, sowohl für die Kinder als auch für die Eltern. Und dann kommt der Kindergarten, das erste Abnabeln. Die ersten schmerzhaften Abschiede und das Gefühl Mama kommt vielleicht nie wieder. Kinder lernen hier schon das sie etwas machen müssen, was Eltern von ihnen erwarten, sie müssen aufhören zu weinen, sie müssen sich anpassen... Und dann kommt die Schule. Und von einem Moment zum Anderen wird das Kindsein zum richtigen Problem. Ich frag mich dann immer: Wollen Eltern dass ihre Kinder gleich nach der Geburt erfahren wie schmerzhaft das Leben sein kann? - Das Leben ist kein Ponyhof... ja aber muss man noch einen Draufsetzen, indem man sein Kind quält? Wenn man unser heutiges Schulsystem betrachtet dann ist es ein Pflichtprogramm das alle Kinder gleich unterrichtet werden, sie müssen schnell sein, sie müssen konzentriert sein, sie müssen sich anpassen. Ihre eigene Individualität können sie höchstens 3 Stunden am Tag ausleben - wenn die Schule beendet ist und die Stunden vorbei sind, an denen man an den Hausaufgaben sitzt.
Der Rest des Tages wird jedoch genauso Reglementiert, statt wirklich zu leben und Dinge zu tun, die Spaß machen, haben die meisten Kinder noch ein Pflichtprogramm zu erfüllen: Sport und Vereine, Kindergeburtstage. Ihnen muss das Ganze Spaß machen, sonst werden sie ja psychisch krank. Stellt euch doch einfach mal vor, ihr kommt von der Arbeit nachhause und müsst noch Hausaufgaben machen und danach müsst ihr in den Sportverein (von nichts kommt nicht, sagt mir mal eine Mutter). Und hin und wieder macht ihr Termine aus - wenns passt - um mit anderen Erwachsenen was zu unternehmen. Das ist das Leben unserer Kinder. Ist das toll? Nein ihr Leben ist kein Ponyhof... ja so ist es. Aber wir können eine Menge tun, das sie es trotzdem schön finden. Eine Kindheit ist so unglaublich kurz, lasst sie doch einfach diese Zeit genießen. Es sind doch nur ein paar Jahre.


Totschlagargument zwei: "Mir hat die Schule auch nicht geschadet"

Wo ist der Spiegel der Wahrheit? Muss es denn erst zum "Schaden" kommen, damit Eltern mal genau hinschauen wie es ihren Kindern geht? Und vielleicht ist ja das Kind ein ganz anderer Mensch, als sie selbst, Was ist mit den Kindern die sich versuchen aus dem System von Schule, Hausaufgaben und sonstigen Verpflichtungen zu winden? Heute weiß man das Burn Out bereits eine anerkannte Psychische Erkrankung bei Schulkindern ist. Aber das ist es nicht alleine, gehen wir mal die ganzen Krankheiten durch, die durch den Druck in Schule und Elternhaus auftreten:
An erster Stelle: Depressionen, Burn Out, Selbstmordgefährdung, Angst, Panik, Verweigerung, ADS, ADHS, Unangepasstes Handeln, Selbstverletzung. Psychosomatische Beschwerden (wie bei meiner Tochter Bauchschmerzen, Kopfschmerzen) usw. Diese Liste ist endlos lang und wird einfach von Seiten der Erwachsenen ignoriert.
Wenn man sich heute betrachtet das viele Erwachsene unter Leistungsdruck zusammenbrechen, dass Burn Out zur Normalität geworden ist, dann frag ich mich allen ernstes wie jemand noch sagen kann: "Mir hat die Schule auch nicht geschadet!" Seid ihr euch da sicher, liebe Eltern?

Nr 3 der Argumentenskala: "In anderen Ländern..."

Ja nach anderen Ländern wird gerne geschaut um auf hiesigen Missstände hinzuweisen, oder auf dortige. Es ist immer fein Vergleiche zu ziehen die letztendlich hinken. In anderen Ländern wird fast nur Reis gegessen und hier ... - und nun, das eine rausholen und das andere ignorieren? Wie ist es mit rohen Fleisch und Fisch in Asien, dort ist es normal. Oder wie ist es mit frisch gebratenen Hund...
Man kann andere Länder nicht mit Deutschland vergleichen, das ist unmöglich, da es riesige gesellschaftliche, kulturelle und politische Unterschiede gibt.
Natürlich würden Kinder gerne zur Schule gehen, wenn es als Alternative nur die Feldarbeit, Fabrikarbeit, oder die Prostitution gibt.

Nach all den Diskussionen habe ich mich ernsthaft gefragt ob Eltern sich nicht vorstellen können oder wollen, das ihre Kinder zwar die Gene ihrer Eltern besitzen, aber dennoch individuelle Wesen sind. Kinder können von ihrem Wesen her vollkommen unterschiedlich zu ihren Eltern sein. Sie haben eigene Vorstellungen, Wünsche und Sorgen. Kein Mensch gleicht dem Anderen. Manchmal denke ich, es ist Eltern vollkommen egal ob einige ihrer Kinder unter dem Schulsystem leiden, solange sie funktionieren, sich anpassen wird das hingenommen.

Was mich schockt ist, dass die Erwachsenen in diesen Diskussionen nicht merken wie sehr sie bereits Instrumentalisiert sind, nach einem bestimmten System zu leben. Eigene Vorstellungen, Gedanken und Gefühl werden unterdrückt und statt dessen wird darauf geachtet sich einer Norm anzupassen und genau das gleiche wird von den eigenen Kindern erwartet.
Bei all diesen Diskussionen ging es letztendlich um den Willen und der Erwartung der Eltern. Andere Vorstellungen von Schule und Erziehung wurden belächelt oder angegriffen.
Erziehung stand unter einem besonderen Deckmantel des moralischen Schutzes. Wehe man schrieb: Das man das Kind nicht erzieht, weil man es nicht einengen und instrumentalisieren möchte, und schon war mal Asozial oder gehörte zur Antiautoritären Elite.
Für mich sind diese Arten von Diskussionen nicht fruchtbar, weil Eltern sich sehr schnell angegriffen fühlen, wenn man ihnen bewusst macht, dass es auch andere Möglichkeiten gibt.

Man muss nicht gleich sein Kind zuhause unterrichten, es reicht auch, wenn man Alternativen findet, die auf die Individualität unserer kleinen Mitmenschen eingehen. Die Waldorfschule ist sehr praktisch ausgerichtet, hier haben die Kinder noch die Möglichkeit eigene Lösungswege zu finden, sich auszuprobieren mit unterschiedlichen Werkstoffen, statt blinder Gehorsam wird auf ein familiäres Umfeld geachtet (auf diese Schule geht meine Tochter) und ich finde es absolut hervorragend gelöst, dass auch für Eltern mit einem geringen Einkommen einen Lösung gefunden wird.
Noch besser finde ich die freien Schulen die dem Kind die Möglichkeit überlassen, aus eigenem Antrieb zu lernen und zu entdecken.
Mit dem Thema Unschooling habe ich mich noch nicht so intensiv beschäftigt aber auch das ist eine Möglichkeit um dem Kind die Welt näher zu bringen, ohne starren Schulrhythmus. Wichtig ist bei all dem dass Eltern zu Beobachter werden, dass sie sich Zeit nehmen um auf die Belange ihrer Kinder einzugehen.

Nach diesen Diskussionen tun mir die Kinder leid die in dieser Welt aufwachsen, ich habe tiefes Mitgefühl für ihre Nöte und Sorgen und ich finde es schade, dass Erwachsene nicht einfach mal über den Tellerand blicken und das wahrnehmen was ist, statt sich mit dem zu beschäftigen was sein könnte (Mein Kind muss Abi machen, damit es einen guten Beruf lernt...).

In diesem Sinne wiederhole ich mich gerne, wenn ich Khalil Gibrans Gedicht nutze um mich zu verabschieden:


Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.

Khalil Gibran, arabischer Dichter, 1883-1931


Namasté und alles liebe von eurer Andarnil

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