Mantra Musik

Donnerstag, 18. August 2016

Ich nehm mir alles zu Herzen - Grundsätzlich!

Nach einem emotionalen und schmerzhaften Tag, schrieb mir ein lieber Freund:
"Nimm dir nicht alles so zu Herzen"
Ich dachte über den Satz nach und dann wurde mir bewusst, dass ich mir alles zu Herzen nehme - Grundsätzlich. Auch wurde mir klar, die wenigsten Menschen werden das verstehen.


Das komplette Erleben steht vor dir, sobald du geboren wirst. Alle Sinne sind bis zum Anschlag geöffnet. Wir lernen also von Anfang an, das wir die Sinnesreize selbst dosieren müssen.
Hinzu kommt die Vorbildfunktion der Mutter, die unsere Überreizung mildert, indem sie uns beruhigt.

Wenn man keine Mutter hat, übernehmen das normalerweise andere Menschen und wenn auch diese nicht da sind, übernimmt es die Natur.

Nach meiner Geburt gab es Krankenschwestern die sich um mich gekümmert haben. Ich war also 6 Wochen ohne das innige Muttererleben vollkommen mit meinen Sinnen alleine, denn wer den Krankenhaus Alltag kennt, weiß das Krankenschwestern keine 24 Stunden um einen Patienten sind.
In diesen 6 Wochen habe ich die Welt erlebt. Ich habe Schmerz erlebt, kurze Momente der Freude, ein Gefühl von Kälte und Wärme. Es war laut, es war leise. Ich nehme an, diese 6 Wochen haben mich auf mein restliches Leben und Erleben vorbereitet.

Ich weiß nicht wie meine Kindheit zwischen dem 1 und dem 4 Lebensjahr aussah. Aber ich weiß aus familiärer Erzählungen, dass ich immer schon anders war. Aufmerksamer, ein wenig tapsiger, mitfühlender, ängstlicher. Ich habe lesen gelernt, da war ich 4, aber ich habe mich nur sehr einsilbig unterhalten und mehr zugehört.
Später dann war die Welt der Sprache für mich eine Welt der Buchstaben. Buchstaben haben mich immer begeistert, ich konnte mich schon als Kleinkind damit beschäftigen das ich Buchstaben gemalt habe, immer einen Buchstaben winzig klein auf einem Din a 4 Heft. Mal von links nach rechts, mal von rechts nach links, mal in der Spirale. So habe ich viele Blätter bemalt über Jahre. Irgendwann kamen dann Sätze hinzu, der Satz. "Ich bin" hat mich sehr fasziniert. Der Gedanke: "Wer bin ich" noch mehr.

Im Inneren war ich schon immer emotional, ich trug meine Seele in Worten bei mir. Schon sehr früh habe ich angefangen Gedichte zu schreiben, Tagebücher voll zu schreiben und dann wieder zu verbrennen. Wenn ich mich leer geschrieben habe, war ich leer. Es war ruhig in mir.
Doch das was in mir war, kam nicht nach Außen, es blieb in mir.
Mein Außen bekam diese Gefühle nur aus Wutausbrüche mit, ich explodierte wie ein Vulkan, brüllte, rannte weg, schlug um mich. Dann veränderte sich mein Leben erneut. Mir begegneten die ersten Grausamkeiten, mein Innenleben teilte sich und so konnte ich auch meine Gefühle im Inneren teilen. Ich war nicht mehr alleine.

Wenn man wie ich absolut Grenzenlos Emotional durchs Leben läuft, dann ist alles schlimm und alles schön. Es gibt kein WENIG in meinem Leben.
Es gibt nur Viel, egal in welcher Richtung. Fülle an Schmerz, Fülle an Glück.
Ich glaube das ich nie gelernt habe zu dosieren.
Man muss verstehen, dass ich viele Jahre im Außen ein komplett anderes Leben lebte als in meinem Innenleben. Das Außen war unwichtig, da funktionierte ich einfach nur wie eine aufgeladene Batterie und wenn die Batterie nicht mehr funktionierte, war ich körperlich krank.

Der wahre Kern meiner Persönlichkeit spielte sich 48 Jahre in meinem Innern ab. Dort lebte ich all das aus, was ich heute öffentlich auslebe.
Dort gab es keinerlei Begrenzungen. Für mich war das Außen voller Grenzen, Stacheldrahtzäune, wie ich einst in einem Gedicht schrieb.
Das Normale Begrenzte, war unerträglich für mich.
Menschen begegneten mir in winzig kleinen Kokonähnlichen Schutzmänteln. Ich sah nur was sie fühlten und oft war das komplett anders als das was sie sagten. Dieses Ungleichgewicht verstand ich nicht. - Ich begriff lange nicht, dass ich eigentlich genauso war - im Außen emotional erkühlt, im Inneren ein Gespinnst an Gefühlten Leben.

Als ich 32 Jahre alt wurde veränderte es sich. Ich lernte meine Frau kennen, ich kam das erste mal mit einem PC in Kontakt. Ich lernte mein Inneres nach Außen zu transportieren.
Endlich konnten alle meine Innenpersonen am äusseren Leben teilnehmen, durch Buchstaben, Worte, Satzzeichen. Nach wie vor ist mein liebstes Satzzeichen die Mehrfachpünktchen am Ende des Satzes. Es zeigt, dass ich in meinem Denken eine Pause mache, der Gedanke mich aber weiterhin beschäftigen wird - oder kurz: "Das Geschriebene ist noch nicht zu ende gedacht - denke selbst weiter, oder lies später. Ich werde noch mal darauf zurück kommen..."

Das schriftliche Eintauchen meiner Innenpersonen hat mich erst einmal vollkommen überfordert. Ich wurde sehr krank, ich dachte ich sterbe. - So zumindest erkläre ich es mir heute.
Mit diesem Eintauchen in die Welt des Außen, kamen auch Erinnerungen an meine Kindheit hervor, die die einzelnen Personen erleben haben. Das was für mich immer ein großes Puzzle war, wurde nach und nach vervollständigt. Je mehr meine Innenpersonen über ihr Erleben schrieben, desto mehr wurde ich ganz.
Ich lernte mich kennen.
Immer mehr und mehr.
Aus heutiger Sicht war das der Anfang von einem langen Weg der Verschmelzung meiner Persönlichkeiten zu einer einzigen Person, welches dann letztes Jahr stattfand.

Vorhin schrieb ich meinem Freund:
"Ich habe irgendwann uneingeschränkt Ja zum Leben gesagt - zu allem was kommt. Dazu gehören auch alle Emotionen, das Eintauchen, Auftauchen, in Kontakt bleiben. Den Schmerz fühlen, Wahrnehmen, ihn nicht wegkicken, nicht verdrängen..."

Ich schrieb: "Ich weiß das ich extrem bin und für viele Menschen kaum aushaltbar. Viele verstehen das nicht. Sie fühlen sich wie ein Beobachter dieser Emotionalität die sie selbst nicht fühlen. Sie halten mich dann für verrückt, überdreht, grenzenlos. Das fasziniert und gleichzeitig macht es Angst.

Für mich als Mensch ist diese Gefühlsvielfalt, alles wahrnehmen zu können ein Geschenk. Natürlich tut es manchmal irrsinnig weh. Menschen die mich lieben müssen das aushalten können, sonst schaffen sie den Umgang mit mir nicht. Ich nehme wirklich jedes Leid und jedes Glück mit. Ich verharre vor nichts, ich gehe nichts aus dem Weg. Ich verdränge nichts und ich speichere nichts. Ich lebe einfach nur diesen einen Moment aus."

Dann schrieb ich:

"...durch das schreiben wurde ich authentisch. Meine Gefühle bekamen Worte. So hab ich fühlen gelernt. Davor war ich eine Hülle mit Körper und vielen Seelen und sie alle haben durcheinander geschrien. Jetzt ist in mir Stille und wenn ich meine Gefühle geöffnet habe bin ich wohlig leer.

Ich weiß nicht wie Menschen es schaffen all das was da ist wegzukicken, diese Überfüllung von Fühlen und Denken und ignorieren und vermeiden, sich zwingen konventionell zu sein, dieses sich selbst belügen, jemand zu sein der man nicht ist weil man sich selbst nicht kennt. Die tägliche Vorsicht, den Schutzmantel nicht zu verlieren - das Leben muss so unerträglich sein.

Wir haben nur dieses eine Leben und der Mensch verdrängt es und packt es in Ziele die nicht da sind und Erinnerungen die er verdrängt.

Ich weiß das ich vollkommen anders bin. Ich nehme das Leben vollständig an. Ich nehme es wahr und habe verstanden das das Leben ich selbst bin. Das es weh tut - es sich zum Herzen nehmen gehört genauso dazu wie das Glück das ich empfinde wenn ich eine Butterblume sehe oder einen Schmetterling. In mir gibt es absolut keine Begrenzung. Nur so konnte ich überleben.
Wenn man so lebt wie ich ist es ein Wunder das ich schon 50 bin.
Ich weiß das alles, aber ich will es nicht ändern. Ich will alles aufnehmen bis es vorbei ist. Alles erleben an Gefühltem in mir.
Mach dir keine Sorgen Gestern ist vorbei, der nächste Moment kommt...
So ist das Leben in seiner gänzlichen Fülle."

Nachdem ich diese Sätze geschrieben habe, atmete ich tief durch, lies die Luft durch meinen Körper strömen.

Wenn man so lebt wie ich, dann lebt man im Dauerschmerz, denn auch Glück tut weh, wenn es undosiert und vollständig erlebt wird.

Die Entscheidung Gefühle nach Außen zu tragen, statt sie im Inneren zu behalten, ist für mich Lebensnotwendig.
Würde ich es nicht tun, würde ich sehr krank werden. Mein Körper kann diese Fülle nur begrenzt aushalten, ich reagiere bei einem Übermaß an Fühlen mit Schmerzen in den Gelenken, dem Rücken, dem Kopf. Ich habe Krämpfe am ganzen Körper, ich bekomme keine Luft. Wenn ich schweige oder aufhöre zu schreiben dann werde ich irgendwann Sterben.
Ich muss um so zu leben wie ich lebe, die Gefühle wieder los werden, sie dürfen nicht in mir bleiben und ich habe gelernt, dass ich mich durch die geschriebenen Worte entleeren kann. Aus dem Grund dieser Blog, aus dem Grund meine Facebook Seiten.

Viele Menschen erleben ihr Leben in Uhrzeiten, ich erlebe es uneingeschränkt ohne Zeit und ohne Raum. Ohne Begrenzung. Das ist meine eigene Wahl, ich hätte es auch anders haben können, aber ich habe mich dafür entschieden. Daher ist der Buddhismus für mich eine sehr logische Religion.
Ich könnte, auch wenn ich wollte keine andere Religion leben, weil sie MICH erklärt. Mein ganzes Wesen bekommt durch den Buddhismus eine Normalität, die es im Außen, mit der Art die Emotionen zu leben, nicht hat.
Ich denke wenn mich überhaupt ein Mensch versteht, dann ist es ein Buddhist, dann ist es mein Freund, der mir schrieb ich soll mich nicht alles zu Herzen gehen lassen.

Mir war es wichtig, diesen Blogeintrag heute zu schreiben.
Ich tat es für meine Freunde, damit sie ein klein wenig verstehen, das meine Worte wirklich nur Momentaufnahmen meiner Gefühle und Gedanken sind. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich teile diese Empfindungen mit ihnen, weil ich keine andere Möglichkeit habe um das was in mir ist zu verarbeiten.
Ich teile es und dann ist es aus meinem System draußen. Ich lebe diese Gefühle vollständig aus, ich weine, ich schreie, ich klammere mich an Stohhalme, ich bin so unglaublich voll mit all dem, das ich kurz vorm zerreißen bin und dann schreibe ich und mit jedem Wort werde ich leerer in mir, ruhiger, klarer, stiller. Und wenn ich fertig bin, fühle ich ein Lächeln in mir, eine sanfte Prise voller Gleichmut. All das was mich vorher so unglaublich berührt hat, das mir den Atem raubte, mich vollständig einnahm, mich so sehr schmerzte das ich dachte ich verglühe,  ich verbrenne, ich sterbe - ist verschwunden. Manchmal weine ich den Gefühlen noch nach. Ich lese meine Sätze und schwimme noch ein Stück hinterher. Aber die Ruhe in mir holt mich ein und ich genieße die letzten Emotionen.

Manchmal bleibe ich auch noch eine Weile und diskutiere. Aber irgendwann ist es gut. Dann ist alles in mir wieder gut. Die Schmerzen gehen und warten bis zum nächsten Mal.
Und dieses nächste Mal kommt mit Sicherheit. Ich habe keine Angst vor dem Leid das sich ankündigt mit einem großen Gong. Leid tut mir nicht mehr weh, denn ich weiß wie ich damit umgehen kann.

Die Entscheidung das Leben ohne Einschränkungen wahrzunehmen ist für mich eine gute Entscheidung. Die ganze Widersprüchlichkeit, einfach alles - es gehört dazu. Das ist für mich die Verschmelzung des Universum zu einem einzigen Punkt, der sich wieder ausweitet und ausweitet...

Das einzig schwierige an dieser Art zu leben - ich lebe alleine. Ich kann es nur schriftlich teilen. Mündlich fällt mir extrem schwer. Wenn ich überfüllt bin, dann schweige ich.
Dann bin ich still in meinem Leid, unfähig zu agieren, ich fühle nur.
Wenn man mich dann fragt warum ich so reagiere wie ich reagiere, gibt es keine Worte die das erklären könnten. Ich sage dann immer: "Aber ich bin so" weil es einfach nichts gibt, das es mündlich erklärt. Das schaffe ich nur schriftlich. Ich habe mir mittlerweile angewohnt zu sagen: "Ich schreibe es auf, dann verstehst du es vielleicht."

Meiner Frau sag ich oft: "Ich muss es aufschreiben um zu verarbeiten" Damit kommt sie gut klar und sie lässt mich schreiben. Ich bezweifle das sie es versteht, aber das ist in unserer Beziehung auch nicht so wichtig, wir lassen uns SEIN. Sie kann mich so wie ich bin akzeptieren und lieben, das ist wichtig. Und sie weiß, danach geht es mir besser.

Jetzt wisst, ihr warum ich so emotional bin.
Mein lieber Freund,  jetzt weißt du warum ich es mir zu Herzen gehen lasse - grundsätzlich Immer...

Alles liebe und ein herzliches Namasté

Eure Jo


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