Wie kann man ein nicht menschliches Gefühl beschreiben - es ist nahezu unmöglich, weil mir die Worte fehlen und doch muss ich es irgendwie ausdrücken.
Am Donnerstag wurde ein kleiner Rehbock überfahren, er war noch nicht tot, ich saß bei ihm und während ich versuchte ihn zu beruhigen geschah etwas, dass mich bis heute nachhaltig beschäftigt, verwirrt, erschüttert, traurig stimmt, mich einnimmt, mich ausfüllt. Es war das schlimmste Erlebnis das ich bisher im Themenbereich Tierschutz erlebt habe.
Es war nicht der Tod, nicht das Sterben, nicht das Blut. Es waren die Menschen um mich herum und die Gefühle des Tieres auf diese Menschen. - Sein Gefühl in mir - auf mich.
Wir fuhren die Landstraße entlang und Britta sah zur Gegenfahrbahn und aus dem Augenwinkel sah sie wie der kleine Bock direkt auf ein Auto zulief. Es gab keine Chance auf Ausweichen, oder bremsen, er wurde direkt erwischt und flog dann zurück auf den Radweg.
Britta hielt sofort an, ich stieg aus, sie zog ihre Warnweste an, lenkte die Autos leicht um und stand am Fahrbahnrand, während ich mich zu dem Tier beugte.
Zuerst passiert das, was immer bei mir passiert. Mich fragte jemand nach einer Telefonnummer - verlorene Zeit, denn ich weiß so was nicht. Ich weiß nichts. Es ist immer das gleiche, mein Gehirn schaltet auf Notstrom um, das bedeutet ich agiere anders, meine volle Aufmerksamkeit alles was mich ausmacht ist auf die Situation gelenkt, alles andere blende ich vollkommen aus. Namen, Telefonnummern, Adressen. All das verschwindet einfach.
Und auch mich blende ich aus, Schmerzen, Ängste, Vorstellungen, Gedanken... da ist nichts außer das was zu tun ist. Ich kenne diesen Zustand und ich glaube das es etwas mit dem Adrenalinausschub zu tun hat. Irgendwelche Botenstoffe übernehmen einfach meine Existenz. In diesem Moment verbinde ich mich mit dem Tier, dem Menschen. Ich antworte nur noch einsilbig, ohne selbst etwas davon mitzubekommen. Ich tue einfach nur das was ich tun muss.
Für mich ist dieser Zustand sehr intuitiv Wild.
Wenn ich auf der Erde sitze, werde ich zur Erde, wenn ich einen Menschen halte, oder berühre, werde ich zu diesem Menschen, der Berührung. Wenn ich ein Tier halte oder berühre, werde ich zu dem Tier, zu der Berührung.
Wenn ich auf der Erde sitze, werde ich zur Erde, wenn ich einen Menschen halte, oder berühre, werde ich zu diesem Menschen, der Berührung. Wenn ich ein Tier halte oder berühre, werde ich zu dem Tier, zu der Berührung.
Ich wurde zu diesem Rehbock, zu der Erde auf der ich kniete. Während ich meine Hände sachte auf seinen Körper legte fing ich zuerst an in seinem Tempo zu atmen, ich musste mich dann zwingen in eine Ruhe überzugehen, indem ich bewusst meinen Atem langsamer strömen lies, und irgendwann fühlte ich, wie das Schnaufen des Rehs sich anpasste. Mit diesem Strom bewegte ich mich vor und zurück. Aus meinen Händen floß pure Energie, vor und zurück.
Der Radweg füllte sich mit Menschen, eine Frau saß nun auch neben dem Reh, sie meinte:
"Wenn man ihn los lässt, vielleicht rennt er dann weg. So schlimm kann er nicht verwundet sein!"
Der Radweg füllte sich mit Menschen, eine Frau saß nun auch neben dem Reh, sie meinte:
"Wenn man ihn los lässt, vielleicht rennt er dann weg. So schlimm kann er nicht verwundet sein!"
Ich antwortete leise, zwischen dem Atmen: "Er wird sterben, wenn wir ihn loslassen, dann versucht er zu flüchten. Sein Bauch ist voller Blut. Die Hinterläufe sind gebrochen. Wenn wir ihn loslassen wird es schlimm, sehr schlimm!"
Der kleine Bock bewegte sich, wollte aufstehen, aber das ging nicht. Ich konzentrierte mich wieder aufs Atmen. Ganz ruhig, bleib ganz ruhig. Es dauert nicht mehr lange.
Atmen, Ruhe, Strömen lassen. Mein Körper ging vor und zurück.
Die andere Hand hielt das kleine Geweih fest und drückte es auf dem Boden.
Und die Hand der Fremden lag auf seinem Rücken.
Er öffnete die Augen und sah uns und ich fühlte sein Adrenalin, das auf meines traf. Es war wie ein Schlag. Ich musste die Luft einziehen, weil ich die Angst fühlte, aber es war noch mehr, eine Art von Zorn - und doch nicht, eine Art Aufbäumen. Etwas wie - nicht wollen!
Etwas das ich nicht kannte. Eine Art Wegschieben. Ich sah im meinem Geiste wie zwei Bockgeweihe gegeneinander stoßen, kräftig immer wieder. Läufe die nach vorne gehen aufeinander zu, Zustoßen. Krachen. Sich trennen. Ich fühlte wie Wind und Wetter an meinen Haaren zerrten, wie Blätter und Gestrüpp sich in meinem Fell einhakten. Eine fremde Welt brach über mich zusammen, während ich in die Augen des Tieres sah. Ich war dieser Rehbock. Und ich weinte, während ich ihn festhielt.
Etwas das ich nicht kannte. Eine Art Wegschieben. Ich sah im meinem Geiste wie zwei Bockgeweihe gegeneinander stoßen, kräftig immer wieder. Läufe die nach vorne gehen aufeinander zu, Zustoßen. Krachen. Sich trennen. Ich fühlte wie Wind und Wetter an meinen Haaren zerrten, wie Blätter und Gestrüpp sich in meinem Fell einhakten. Eine fremde Welt brach über mich zusammen, während ich in die Augen des Tieres sah. Ich war dieser Rehbock. Und ich weinte, während ich ihn festhielt.
Vor vielen Jahren hatte ich eine Vision, ich war damals ein Panther und ich fühlte in der Vision die Schnelligkeit und ich fühlte das Peitschen von Ästen auf meiner Haut.
Diese Erfahrung mit dem sterbenden kleinen Rehbock waren ähnlich.
Es wird immer berichtet, das kurz vor dem Tode noch einmal unser Leben an uns vorbei zieht.
Während ich den Rehbock beruhigte, sah ich Dinge die noch nicht passiert waren. Ich sah ihn nicht als kleines Rehkitz, ich sah ihn als stattlichen Bock mit einem kräftigen Geweih, ich fühlte den Wind in seinem Fell.
Während ich den Rehbock beruhigte, sah ich Dinge die noch nicht passiert waren. Ich sah ihn nicht als kleines Rehkitz, ich sah ihn als stattlichen Bock mit einem kräftigen Geweih, ich fühlte den Wind in seinem Fell.
Ich war eins mit diesem Tier.
Und um mich herum waren Menschen die störten. Die uns beide in diesem Prozess des Einssein störten. Die dem Tier angst machten, die es schlimmer machten - das sterben.
Zwischen diesem EINS sein, tauchte ich immer mal wieder auf, wenn jemand neues dazu kam. Menschen die einfach nur rumstanden. Ich hörte wie jemand nach dem Fahrer fragte und seinem Auto und dieses Menschliche in wollte Brüllen! Wen interessiert dieses Scheiß Auto. Ich fühlte Aggression in mir hochkochen. Ich war auf einmal zwei geteilt. Da war die Jo der Mensch, sie wollte schreien: "Haut endlich ab ihr Idioten, verzieht euch, sonst hau ich euch zu Brei!" Und da war die Frau die vor dem Tier sah und sich vor und zurück bewegte, gemeinsam mit dem Schnaufen des Tieres.
Ein Mann trat aus diesem Pulk der Leute. Wir kannten uns nur flüchtig.
Er war wie ich Tierschützer. "Ist die Polizei schon verständigt!"
Er war wie ich Tierschützer. "Ist die Polizei schon verständigt!"
Ich nickte: "Sie werden nicht kommen!"
"Ich hab nur ein Messer, ich hole es!"
"Ich hab nur ein Messer, ich hole es!"
Wieder nickte ich.
Dem kleinen Bock ging es schlechter. Blut floß aus Nase und Mund und er musste den Kopf drehen, damit er atmen konnte, er war kurz vorm ersticken.
Der Tierschützer war wieder da. "Was meinst du?"
"Keine Chance!" sagte ich und meinte es auch so.
"Scheiße" seine Hand berührte meine Schulter.
Endlich kam ein Jagdpächter aber er hatte kein Gewehr dabei. Der Tierschützer gab ihm das Messer. Und in diesem Moment wurde ich wieder ganz Mensch. Ich stand auf und überließ den Beiden den letzten Rest. Das töten ging schnell. Ich sprach noch ein Mantra für die kleine Seele und dann brach ich innerlich zusammen. Wäre Britta nicht gewesen, ich wäre einfach umgefallen. All das was ich empfunden hatte, dieses Einssein war weg. Vollkommen verschwunden. Es war nur noch als Erinnerung fühlbar und das hat mich wirklich fertig gemacht in dem Moment. Es war als wäre etwas aus mir herausgerissen worden, brutal und grausam.
Und dieses Gefühl ist immer noch nicht weg. Die ersten Stunden nach dem Erlebnis konnte ich die Augen nicht lange schließen, denn hinter den Pupillen erwartete mich die Erinnerung. Ich sah das Tier, ich sah mich wie ich neben dem Rehbock hockte, ich sah mich vor und zurück bewegen, im Strom mit unserem beider Atem. Ich sah es und fing an das zu Bewerten: "Ich muss total komisch ausgesehen haben, wie ich mich da so bewege..." und gleich darauf wich ich diese Gedanken mit dem Randrücken weg. Wen interessiert es!!! Scheiße egal wie ich ausgesehen habe.
Zuhause musste ich mir das Blut von der Kleidung und den Händen waschen, ich hatte absolut merkwürdige Empfindungen, Gedanken. Ein Gedanke war, es abzulecken. Ich roch daran, ich nahm es auf. Die Haare des Tieres sind immer noch an meiner Jacke aber ich lasse sie bewusst daran hängen, ich will die Jacke nicht waschen, ich will den Geruch behalten.
Ein Haar liegt jetzt in meinem Portemonnaie neben dem Bild meiner Tochter.
Ich bin immer noch verwirrt, von all diesen Eindrücken. Es war nicht der Tod der hier das schlimmste war, ich glaube wirklich, das es nicht schlimm war für den Bock zu sterben. Es war das was vor dem Tod passierte. Die Menschen, die Gerüche, dieses nicht wegrennen können, der Schmerz war nur Teil von allem. Er gehörte da hin zu ihm. Ich finde keine Worte gerade für das was ich ausdrücken will.
Mir ist heute - jetzt -bewusst, das ich alles falsch gemacht habe im Tierschutz. Und das ich alles falsch machen werde, wenn ich menschlich handle, dann mach ich es falsch. Egal was ich tue.
Egal wie wir uns verhalten, wir werden uns nie Tiergerecht verhalten können, das ist unmöglich.
Es ist nur eine Vorstellung von dem was wir denken, dass es den Tieren gut tut. Eine menschliche Vorstellung von tierischen Leid.
Nach diesem Erlebnis weiß ich nicht mehr ob ich im Tierschutz arbeiten kann. Ich weiß nichts mehr wirklich. All meine Wahrheiten über Tiere sind Vorstellungen. All meine Vorstellungen sind Phantasien.
Gestern habe ich lange meinen Blue gestreichelt, ich bin immer wieder über sein Fell. Es war anders. Alles ist anders auf einmal.
Dieser kleine Rehbock hat mir einen kleinen Einblick ermöglicht in etwas das mir total fremd ist. Eine Art andere Welt, anderes Universum.
Wir glauben, dass wir Einssein können mit allem um uns herum. Aber dieses Einssein ist nicht das was wir uns vorstellen, es ist hoch kompliziert und um es zu erfassen, müssen wir wieder zurück zu den Anfängen gehen.
Zurück ...
Ich kann es nicht erklären, dazu fehlen mir einfach die Worte. Ich weiß nur eines, das was wir bislang an Esoterischen, Religiösen, Wissenschaftlichen, Dingen zu wissen glauben, hat mit der Realität nichts zu tun. Wir sind weit - sehr weit davon entfernt wirklich zu begreifen was Tiere brauchen, wie sie denken und fühlen.
Ich weiß mein Text hinterlässt ein Gefühl von Verwirrung und das ist es letztendlich auch, was ich bin.
Dieses Erlebnis hat mich nachhaltig verwirrt und es hat etwas in Gang gesetzt von dem ich momentan selbst noch nicht weiß in welche Richtung es geht.
Aber ich musste es irgendwie aufschreiben, vielleicht damit ich es selbst eines Tages verstehe. Momentan verstehe ich es nicht... ich fühle nur nach.
Euch alles Liebe
Namasté eure Andarnil
be Johanna,
AntwortenLöschenich finde es Vorbildlich wie du dem Rehbock geholfen hast :) Lieben Dank dir dafür unendlich mal :)
Die Erfahrung diente wohl wie alle anderen auch, dich weiter zu Unterrichten.
Gib dein Tierschutz-Herz nicht auf … Vielleicht wollte das Reh ja dass du in den letzten Momenten ihm beistehst bevor er weitermachen kann :) Auch das schöne Reh hat somit einen Kapitel im Leben auf der Erde vollendet… Habe keine Angst vor der Natur, da läuft alles so ab wie es soll sonst wär sie nicht da <3
Much Love Johanna, danke dir nochmals, danke für das schreiben auch :))
Danke auch dir fürs Lesen und kommentieren <3
LöschenWahrscheinlich hast du Recht und ich musste das erleben, als Erfahrung. Es war bitter und noch Tage danach hatte ich Träume über das was ich erlebt habe. Ich habe keine Angst vor der Natur... die Dinge sind wie sie sind. Ganz herzliche Grüße und ein Namasté dir von mir.
Alles liebe von der Jo