"Geh zum Fluss und hole mir eine Tasse Wasser", sagte der Zen-Meister zu seinem Schüler.
Als der Schüler am Fluss die Tasse mit Wasser füllte, sah er flussaufwärts eine wunderschöne Frau in seinem Alter. Die Frau nahm ihn ebenfalls in Augenschein, und mit einem Mal verliebten sie sich unsterblich ineinander. Er zog zu ihr auf das Gut ihrer Familie in einem ruhigen Dorf, und sie bauten ein Haus. Über die Jahre wurden ihnen Kinder geboren.Sie waren glücklich miteinander und ernährten sich von der Landwirtschaft, die sie betrieben.
Eines Tages kam eine Flut. Das Dorf wurde überschwemmt, und er musste sich mit seiner Familie auf das Dach des Hauses retten. Da zog ein grosser Sturm auf. Seine Kinder wurden eins nach dem anderen vom reißenden Wasser fortgerissen und schließlich ertranken sie darin. Auch seine Frau wurde fort gespült und kam in den Fluten um. Als der Sturm sich legte, sass er einsam und verzweifelt zusammen gekauert auf dem Dach seines Hauses. Er starrte in die Luft. Ein Alptraum – nach all den glücklichen und schönen Jahren!
Da legte sich von hinten eine Hand auf seine Schulter. Es war die Hand seines Meisters, der ihn fragte: "Wo bleibst du so lange? Wolltest du nicht bloß eine Tasse Wasser holen?"
Aus dem Zen-Buddhismus
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Lasst uns mal tiefer in diese Geschichte eintauchen, was will sie uns sagen?
Diese Geschichte erklärt uns Samsara und dem Weg aus Samsara:
Samsara ist der immerwährende Zyklus des Seins von Werden und Vergehen, den wir alle durchlaufen. In diesem Zyklus lernen wir alle Gefühle des irdischen Lebens anhand von Erfahrungen kennen. Wir erlernen was im höchsten Glücksgefühl mit uns passiert und auch was passiert wenn wir das schlimmste Leid erleben. Wir erleben auch, das alles Vergänglich ist, Glück wie Leid sind nur begrenzt haltbar, sie kommen und vergehen.
In dieser Zen Geschichte spielt der Meister selbst eine untergeordnete Rolle, anfangs ist er nur ein Stück lang ein Wegbegleiter. Damit beide sich ebenbürtig wieder treffen können, musste der Schüler seinen Weg ohne den Lehrer weiter gehen. So erlebt der Schüler den Buddhismus durch die Erfahrung die er macht. Er geht eine Tasse Wasser holen und kommt zurück mit dem Verstehen um Samsara, dieses Verstehen ist notwendig, denn für den weiteren Weg zwischen Schüler und Meister war die Erfahrung des Schülers wichtig. Schüler und Meister begegnen sich an einem Punkt wieder an dem beide gewachsen sind, die Hand des Meisters auf der Schulter des Schülers, sowie die Flapsige Bemerkung, wo er so lange geblieben sei, symbolisiert eine Ebenbürtige Beziehung - die gemeinsame Arbeit steht nun auf einer anderen Ebenen.
Jeder erlebt Samsara durch das was er erlebt. Wenn wir nie Glück erlebt haben, wird uns eine Erklärung über Glück nicht erreichen. Wenn wir nie Leid erfahren haben, werden wir eine Erklärung über Leid nicht verstehen. Wir bleiben Unwissend. Wissen kann uns nur dann erreichen, wenn wir bereit dazu sind. Und wann wir dazu bereit sind, das müssen wir ganz alleine herausfinden.
Nur der Schüler selbst konnte diesen Weg gehen, der Meister hätte ihm nie erklären können, was Samsara bedeutet. Das musste der Schüler erfahren und um Samsara zu erfahren, musste er seinen Meister verlassen. Um den Weg der Buddhistischen Lehre zu folgen, muss man manchmal Wege gehen die scheinbar erstmal von der Lehre wegführen, denn um zu erkennen warum es die Sila gibt, muss man die Sila verstehen. Um zu erkennen was Samsara bedeutet muss man Samsara erfahren.
Buddhismus ist die Lehre von Allem und Nichts. Bei all dem hat der Schüler nie den Pfad verlassen.
Übrigens stellt Wasser eines der fünf Grundelemente dar. Es ist dem Swadhisthana Chakra zugeordnet. Im Ayurveda ist es (zusammen mit dem Element Erde) dem Kapha Typ zugeordnet. Wasser steht unter anderem für Reinigung, Klarheit, für das Weibliche.
Diese buddhistische Geschichte stammt eigentlich aus dem Hinduismus und wurde ursprünglich so erzählt:
Der heilige Narada verzehrte sich in glühender Askese, das göttliche Geheimnis Vishnus zu ergründen. Er flehte den Allgott an, ihm das Wunderspiel seiner Maya zu offenbaren, die den ewigen Wirbel des Alls mit Myriaden Auf- und Untergängen der Geschöpfe und Gestirne webt.
Vishnu erbarmte sich seiner und erschien ihm leibhaft in seiner huldvoll beglückenden Gestalt als Krishna, der Hirt und Held, dessen göttliches Lächeln und Wort dem heiligen Narada aus seinem Umgange mit dem Gotte vertraut waren. „Herr, zeige mir deine Maya", rief Narada ihn an, und Krishna gab ihm zur Antwort, „Das will ich, — folge mir!"
Sie gingen nebeneinander und kamen aus Naradas Waldeinsiedelei in wüstes schattenloses Land. Die Sonne brannte vom Himmel, und Narada ward durstig. Der Herr sprach zu ihm, „Ich habe Durst, Narada; willst du mir Wasser holen? dort nahebei sehe ich ein Dorf". — „Gern, Herr", gab Narada zur Antwort und machte sich auf, indes Krishna sich in der Wüste niederließ, seine Rückkehr zu erwarten.
Narada kam ins Dorf und klopfte beim ersten Hause an, um einen Krug Wasser zu erbitten. Ein wunderschönes Mädchen erschien in der Tür, — da geschah dem Heiligen, was er sich nie geträumt hätte. Die dunklen Augen des Mädchens verzauberten ihn, sie waren wie die blauschwarzen Lotosaugen seines göttlichen Freundes und Führers. Er stand und starrte und konnte sich nicht satt sehen an dem sprechenden Liebreiz. Er vergaß ganz, was er von dem Mädchen gewollt hatte, was ihn ins Dorf geführt hatte, er stand und war gefangen. Das Mädchen hieß ihn ehrfürchtig und unbefangen willkommen; seine Stimme war wie eine goldene Zauberschlinge, die sich schmeichelnd um sein Haupt legte; wie im Traume folgte er ihrer Einladung und trat ins Haus.
Er ward wohl empfangen, wie es einem heiligen Manne gebührt; das ganze Haus schien beglückt und fühlte sich durch seine Nähe erhoben. Er blieb wie in einem Traum; was ihm in diesem neuen Leben, das sich wie eine schimmernde Muschel leise um ihn schloss, mit dem Zauber der Fremde und Vertrautheit umwob, war eine stille göttliche Hoheit des Hauses und seiner Bewohner, die in der Anmut und Reinheit des Mädchens ihre schimmernde Blüte trieb. Wo kam er her? Was hatte ihn hergeführt? Wartete draußen in der Welt etwas auf ihn? — Er hatte es vergessen, war sich selbst verloren gegangen und blieb. Das Mädchen hatte es ihm angetan, er bat den Vater um ihre Hand, und es schien, alle hatten nichts Anderes erwartet, als dass er das Mädchen freie und in ihrem Kreise einer der Ihren werde.
Sie heirateten und hatten drei Kinder. Jahre gingen ins Land, der Vater starb, Narada erbte Vieh und Felder und trat in die Spur des Alten. Zwölf Jahre waren vorüber, da raffte eine Überschwemmung zur Regenzeit das ganze Dorf hinweg. Die Strohhütten sanken in den Schlamm, das Vieh ward unter kläglichem Gebrüll vom Wasserschwall fortgetrieben und ertrank in seinen Strudeln, alle mussten fliehen.
Narada nahm seine Frau bei der Hand, an der anderen führte er die beiden größeren Kinder, das kleinste trug er auf der Schulter, — so kämpfte er sich schwankenden Schrittes durch die regengepeitschte pechschwarze Nacht und das gurgelnde Wildwasser, das höher und höher stieg. Seine Gewalt ging über Menschenkraft; Narada konnte sich gegen die Strömung nicht halten, er strauchelte, das Kleinste glitt ihm von der Schulter und verschwand in der rauschenden Flut. Narada stieß einen Schrei des Entsetzens aus, ließ die beiden anderen Kinder los, um das kleine zu haschen, — umsonst, da waren auch die beiden anderen von seiner Seite gerissen und im tosenden Dunkel verschwunden. Noch hielt er die Hand der Frau mit der seinen umkrampft, aber eine Welle brach flutend über ihn herein, riss beide auseinander, spülte ihn fort, trieb ihn durch die Nacht dahin und warf ihn schließlich besinnungslos an eine kleine Erhebung, die das gurgelnde Wasser überragte.
Als er wieder zu sich kam, ermaß er die Grenzenlosigkeit seines Jammers im Blick auf die Wasserwüste rings, über der ein fahler Frühschein graute, und brach in Tränen aus. Da hörte er hinter sich eine vertraute Stimme, die ihm das Herz stillstehen ließ, — „Kind, wo ist das Wasser, das du mir holen wolltest? Seit gut einer halben Stunde warte ich auf dich".
Narada riss die Augen auf und blickte um sich: statt der Wasserwüste — er musste sie geträumt haben, — sah er spielend im Mittagsglast die Wüste liegen, die er mit dem Gotte durchwandelt hatte. Er wandte den Kopf zum Gotte, der hochaufragend hinter ihm stand, und senkte erschauernd die Stirn, als Krishnas grausam schöne Lippen sich lächelnd zu der Frage öffneten: „Weißt du jetzt um das Geheimnis meiner Maya?"
Im Hinduismus bedeutet Maya: Kraft, Energie, aber auch Verblendung, Unwissenheit und Illusion. Um Moksha (buddhistisch: Nirvana) zu erreichen, muss Maya überwunden werden.
Buddha sagte einst:
„Ich habe euch den Weg zur Befreiung gezeigt, die Strecke dorthin könnt ihr nur aus eigener Kraft zurücklegen.“
Namaste
Eure Jo
Geschichte:
Indische Geschichte aus einer Nacherzählung von Heinrich Zimmer aus seinem Buch "Weisheit Indiens. Märchen und Sinnbilder" 1938 im L.C. Wittich Verlag in Darmstadt erschienen
Bild: Aus dem Internet entnommen: Rheinfall von Schaffhausen.
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