Meine Freundin Arev hat mir auf Facebook zwei interessante Fragen zu meinem Tagebuch gestellt, denen ich mich auch hier widmen möchte.
Frage 1:
Warum trage ich als Buddhistin nicht einfach nur zum Gemeinwohl bei?
(Das finde ich eine sehr bereichernde und reife Frage, ich gehe später im Text noch mal tiefer drauf ein).
Weil ich als Buddhistin nicht mehr diese Aufgabe verspüre.
Ich habe viele Jahre genau danach gehandelt, ich habe Gutes getan und mich dabei total ignoriert, ich habe nach dem was viele spirituelle Führer und Gruppen einem um die Ohren hauen, nur positiv gedacht. Meine Frustration und mein Leid hab ich höchstens meiner Frau um die Ohren gehauen und sonst niemanden. Ich war wie ein brodelnder Vulkan innerlich. Weil ich dauernd mit dem Tod, mit Krankheiten, mit dem Leid Anderer - Mensch, wie Tier - mit ihrem Leben - konfrontiert wurde, es aber mehr im Innen verarbeitet habe, statt im Außen. Weil man ja nicht brüllt und emotionsgescheucht durch die Gegend rennt und Heult und Jammert.
Gerade mein Anfang vom Buddhismus war unglaublich darauf bedacht GUT zu sein, für mich selbst und die Menschheit um mich herum. Ich wollte geliebt werden, weil ich ein liebenswerter Mensch bin. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, die Leute zu frustrieren, zumindest willentlich nicht. Und doch habe ich es getan, es ist nahezu unmöglich es jedem Recht zu machen.
Ich habe ehrenamtlich gearbeitet für alle - nur nicht für mich.
All die Jahre habe ich für andere gearbeitet. Ich habe konstruktive Wege entwickelt und weiter getragen, damit es anderen Menschen und Tieren gut geht und Tiere wie Menschen überleben. Ich habe Ideen geboren und immer wieder dazu beigetragen, das andere Menschen sich entwickeln, sei es nun durch Wünsche die Wirklichkeit wurden, oder im Tierschutz. Das war mein Leben. So war ich schon immer, von klein auf.
Was ich nicht gemacht habe - mich wirklich gezeigt. Niemand kannte mich wirklich, es hat auch niemanden interessiert. Alle waren damit zufrieden, das ich ein guter Mensch bin, mehr wollte man nicht wissen.
Das war sogar damals so als ich Punk war und eigentlich mit meiner Art angeeckt habe, doch wehe jemand kam und war krank oder kurz vor dem Selbstmord, ich habe alles liegen und stehen lassen und so bin ich immer noch, wenn ich helfen kann, dann helfe ich.
Und ich lasse immer noch alles stehen und liegen, wenn man meine Hilfe braucht.
Ich habe ehrlich gesagt nicht gewusst, wer ich bin und warum das Innere Bild so anders war als das Äussere Bild.
Ich wollte einfach nur Lieb sein.
Mein Tagebuch auf Facebook, sowie mein Blog hat mir endlich die Möglichkeit gegeben mein Inneres nach Außen zu kehren. Das liebe Mädchen ist jetzt ganzheitlich geworden. Und da ich ganzheitlich bin, kann ich jetzt viel besser arbeiten als früher. Das menschliche in mir ist mehr Wert als das Buddhistische, oder das Liebe.
Meine "Facebook" Freunde sind meine richtigen Freunde, andere habe ich nicht und will ich auch nicht haben. Ich treffe sie und wenn sie es zulassen, nicht nur hier sondern auch in meinem Wohnzimmer. Ich bin sichtbar für sie, sie wissen: Jo ist angreifbar und sensibel, sie wissen wo es mir wehtut - statt darüber nachzudenken warum ich hier anders bin als in Natura, bekommen sie die Antwort vorher geliefert. In Natura bin ich oft wie ein Kind, das man führen möchte, ein Kind das man streicheln möchte und berühren, lieb haben. Das ist meine Natur. Das Innere Erwachsene ICH kommt oft in Natura zu kurz. Weil ich stark bedürftig bin. Mein Autismus ist immer Präsent und das verwirrt meine Mitmenschen manchmal. Daher finde ich es einfacher wenn sie durch mein Tagebuch erfahren, das da noch jemand anderer in mir ist, der zwar schreiben kann, aber nicht unbedingt in Natura zu sehen ist. Ich bin die Widersprüchlichkeit in Person, ich bin ein mutiger ängstlicher Mensch. Ich bin ein starker schwacher Mensch, ich bin ein gesunder kranker Mensch, ich bin ein liebenswerter frustverbreitender Mensch, ich bin ein strukturierter Chaot. Ich bin jemand der in keine normale Schubladen passt, meine wurden von einem Surrealen Maler gezeichnet.
Frage Nr. 2:
Warum verbreitest du mit deinem Tagebuch eher Leid und Frust.
Ich würde sagen ich verbreite eher Frust, statt Leid. Wobei wahrscheinlich das Gleiche herauskommt. Aber ich will kein Leid entstehen lassen. Meine Motivation ist anders gestrickt.
Der Frust entsteht, weil Menschen sich mit Themen verbinden, die sie toll finden. Und ich komme dann als "Freundin" daher und trete das gleiche Thema mit meinen Schuhen in den Boden, bis fast nichts mehr da ist.
Zumindest kommt es vielen so vor. In Wahrheit habe ich wirklich keine Ahnung mit welchen Themen sich meine Freunde gerade beschäftigen.
Ich guck nicht auf deren Chronik und suche gezielt nach etwas womit ich ihnen weh tun kann. Noch kenne ich sie wirklich um zu wissen was sie schmerzt. Denn im Gegensatz zu mir, habe ich keine Ahnung von ihrem Innenleben.
Die meisten verschließen sich hinter Stahlharten Türen und lassen niemanden rein.
Die meisten Menschen sind so wie ich einst war, undurchsichtig begrenzt und zensiert.
Kaum einer ist so offen, dass ich herausfinden könnte, wie er denkt und fühlt.
In Wahrheit kenne ich keinen meiner Freunde, noch nicht einmal meinen besten Freund, noch nicht mal meine Frau wirklich. Ich kenne nur das was sie mir zu erkennen geben und sonst nichts.
Aber ich bin ein Empathi und das macht es so kompliziert. Ich greife Informationen auf die im verborgenen liegen. Und genau über diese Informationen mach ich mir Gedanken. Am Tag denke ich über extrem viele Dinge nach. Würde man meine Gedanken notieren, würde es eine Matrix geben, die wahrscheinlich eine ganzes Dorf ausfüllen würde. Es gibt keine Sekunde wo ich nicht denke. Auch wenn ich in Tiefenmeditation bin, arbeitet mein Gehirn, meine Gedanken treten in den Hintergrund, sind aber trotzdem da. Ich denke das alle Menschen so leben, mit ihren Gedankenerleben.
Ein paar dieser Gedanken kreisen dann wie Vögel in meinem Gehirn herum, meist sind es Fragen die dann dabei entstehen: Warum ist das so oder so? Gefällt mir das? Kann ich damit umgehen?
Und oft sitze ich dann irgendwann am PC, nehme einen dieser Gedanken auseinander und erarbeite mir so meine Antwort.
Und daraus entstehen dann die Themen-Tagebücher.
Einfach aus der Luft gegriffene Themen die mich interessiert haben, die ich aber nicht mehr will, denn eigentlich gehören sie nicht zu mir. Es sind empathische Worte, Gefühle die an mir vorbeirrauschen und mich dazu beflügeln darüber zu schreiben. Und manchmal auch Themen die mir am Tag begegnen und mich selbst total frustrieren.
Manchmal hinterlässt das ganze in mir ein Gefühl von Wiederwillen, ein Gefühl von Eigenleben. Das will ich nicht in meinem Leben. Und dann muss ich es los werden.
Ich schreibe dann darüber voller Ekel und voller Wut, Frust, KOTZ. Genau in dem Gefühl bin ich dann. Es nervt und macht mich kirre. Und wenn ich es aufgeschrieben habe, bin ich es los. Es ist erst mal weg und ich fühle mich befreit.
Und interessanter Weise liest es dann irgendeiner meiner Freunde und fühlt sich negativ berührt, entweder weil ich mich negativ berührt fühle, oder weil es genau ihr/sein Thema ist, dass ich gerade mit Worten gen Gulli schiebe.
Und schon fühlt es sich an, als hätte ich meinen Frust weiter gegeben und es hagelt Vorwürfe. Man möchte darüber diskutieren und wenn ich was dazu schreibe dann möchte man weiter diskutieren, bis ich mich entschuldige weil ich den Freund gerade mit meinen Worten verletzt habe. Und auf diese Diskussionen lass ich mich nicht mehr ein, weil es nichts bringt. Ich kann mich nicht für ein Thema entschuldigen das ich zum Kotzen finde. Ich kann mich nur entschuldigen, das es dem anderen weh tut. Aber daran das ich es zum kotzen finde, daran ändert sich nichts. Und dann ist es oft so, das die Freunde sich von mir abwenden, weil ich ihr Heiligtum verletzt habe.
Selten versteht jemand das ich nicht SIE damit verletzen wollte.
Sie identifizieren sich mit etwas und daraus entsteht dann eine Verbindung. Ich bekomme diese Verbindung vielleicht unbewusst mit und reagiere darauf.
Das gehört nur peripher zu mir, aber ich werde konfrontiert. Was tut man wenn man etwas über gestülpt bekommt, das eigentlich nichts mit einem zu tun hat - man versucht alles mögliche damit man es los wird und genau das tue ich indem ich darüber schreibe.
Ich will das nicht in meinem Leben. Egal ob es nun Fußball ist, die Deutschland Fahne, Silvester, die Machthaberische Art von Sahra Wagenknecht, AFD, CDU, die Art wie Menschen mit Tieren umgehen.
Ich will niemanden verletzen, ich will nur mein Innenleben entmüllen.
Ich hab keine Ahnung von dem Innenerleben meiner Freunde.
Und weil ich es nicht weiß... tja, dann passiert so was. Dann schreibe ich über Fußball weil mich dieser Sport extrem ankotzt und ein Freund fühlt sich tief beleidigt und total verletzt, weil Fußball alles für ihn ist. Dann schreibe ich über meine Freiheit und ein anderer fühlt sich verletzt weil er diese Freiheit nicht leben kann - aber gerne leben würde und es frustriert ihn, dass ich einfach tue was ich tue und sage was ich denke. Dann schreibe ich über Sahra Wagenknecht und jemand entfreundet sich, weil sie Fan von Sahra ist.
Dinge die ich ohne das ich schreibe, nie erfahren hätte. Weil ich nicht nachfrage und andere es mir nicht erzählen.
Alles was ich wirklich weiß, ist das ich sie mag oder nicht. Und auch das ist nur eine Momentaufnahme.
Ich erfahre erst wie es meinen Mitmenschen geht, womit sie sich beschäftigen, wenn ich darüber schreibe.
Für mich sind die meisten FREMDEN Menschen - Menschen mit zugenähten Mündern und geschlossenen Augen. Ich sehe sie nur durch meine Empathie, ansonsten sind sie für mich huschende verwirrte traurige in sich zensierte Wesen. Ich weiß das klingt extrem gemein. Aber das ist meine Sicht. Ich rede hier auch nicht von meinen Freunden, sondern von Menschen die mir sonst begegnen draußen. DAS TUT MAN NICHT, SO MUSS MAN SEIN, SO WILL ICH SEIN, DAS DARF ICH NICHT ZEIGEN.
In Wahrheit wollen sie alle geliebt werden, für das was sie sind. Und in Wahrheit weiß niemand wirklich wie sie sind.
Hier habe ich wenigstens die Möglichkeit zu zeigen wer ich bin. Manchmal gehe ich durch die Stadt und bin wie sie und dann tue ich etwas merkwürdiges, ich fange an laut zu lachen, oder zu tanzen, oder ich ziehe mein Tuch runter und zeige meinen kahlen Schädel und auf einfach erwacht die Welt und ich spüre Blicke, ich schließe die Augen und sehe SIE. Eine Sekunde nur werden diese Menschen sichtbar. Ihre Zensur bröckelt.
GENAU deshalb schreibe ich Tagebuch, ich lass die Welt um mich herum bröckeln. Die Menschen die hier mitlesen involviere ich mit sichtbarer Zu oder Abneigung.
Das ist Buddhismus pur.
Ich mache mich sichtbar damit andere sichtbar sein können. Ich gebe ihnen das Gefühl wichtig zu sein, denn ich teile mein Inneres mit ihnen. Ich habe so großes Vertrauen, selbst dadurch verletzt zu werden.
Für mich ist das auch (vielleicht denkt ihr jetzt: in meinem verwirrten Kopf) Liebe.
Ich liebe meine Freunde, auch dann noch, wenn sie mir weh tun. Auch dann noch, wenn ich ihnen weh tue, weil ich Dinge beschreibe die sie hassen, oder verletzend finden. Wenn all das was in mir ist, wirklich hervor käme, gäbe es keine Worte mehr. Ich würde nur ein weißes Blatt Papier nehmen und rote Punkte malen, bis das Papier gänzlich gefüllt wäre.
So viel ist da was mich verbindet, ob ich es will oder nicht. DAS hier ist nur ein winzig kleines Stück einer winzig kleinen Fläche roter Punkte.
Buddhismus bedeutet nicht nur bewusst gutes zu tun für diese Welt. Buddhismus bedeutet sich sichtbar zu machen, sichtbar zu werden. Sich auszuziehen und sich zu entblößen. Angreifbar zu sein. Sich selbst kennen zu lernen, mit allem was da ist. Und der beste Spiegel für die eigene Welt ist die Welt des anderen zu berühren.
Buddhismus bedeutet auch sich und andere mit einer Realität zu konfrontieren die weit über das hinaus geht, was sichtbar ist. Dem Inneren Konflikt zwischen dem nahbaren und unnahbaren. Der Verbindung zwischen Negativ und Positiv. Den Polen die alles zusammen halten. Mein Tagebuch ist für mich eine Art Offenbarung. Ich schaue in den Spiegel und sehe mich wirklich. Verwundbar, nackt, heroisch und wütend, kalt und heiß. Ein Spiel mit den Wiedersprüchen die alle in sich tragen, ich will das gar nicht mehr verbergen.
Das Leben ist voller Leid und Frust und ich (be)schreibe das und mit jedem Wort wird es in mir ruhig.
Und am Ende des letzten Satzes kann ich einschlafen, denn nichts mehr tut weh... bis zum nächsten Mal.
Wer mich liest kennt mich wirklich und wahrscheinlich auch sich...
Ich liebe euch meine Freunde
Namasté eure Adarnil
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